Advent ist eben doch kein gemütlicher Countdown bis Weihnachten. Er ist ein Widerspruch. Ein Widerspruch gegen Trägheit, Angst und das ewige „Und-so-weiter“. Die Aufforderung zur Wachsamkeit im Evangelium zum ersten Advent versucht uns aus dem Kochender-Frosch-Syndrom herauszuholen. Der berühmte Frosch hüpft intuitiv aus zu heißem Wasser, doch er büßt diesen Überlebensinstinkt ein, wenn das Wasser langsam erhitzt wird. Vielfach ergeht es uns ebenso: Unsere schlechten Gewohnheiten erhitzen das Wasser langsam – Sorgenkarussell um Sorgenkarussell, Ablenkung für Ablenkung. Wir merken gar nicht, wie unsere Aufmerksamkeit schmilzt, unser Fokus verdampft und unsere Lebendigkeit im lauwarmen Komfort versiegt. Nicht der große Schock verbrennt uns, sondern die träge Gewöhnung.
Wir sind Weltmeister im Grübeln, Planen, Kontrollieren. Wir wollen auf alles vorbereitet sein, vom morgendlichen Meeting bis zur globalen Krise. Doch gerade da, wo wir alles im Griff haben wollen, verpassen wir oft das Leben selbst. Für Jesus macht es keinen Unterschied, was unser Herz träge und lahm werden lässt – der Rausch der Ablenkung und der Druck des Alltags. Es ist einerlei, was den Kochtopf erhitzt. Man kann sich in beidem verlieren. Beides lässt nicht mehr sehen, was zählt. Wer nur noch auf das schaut, was ihn beschäftigt, verliert aus dem Blick, was ihn trägt.
So wird die Erwartung müde und man fragt zurecht: Kann die Zukunft noch Wunderbares bringen?
„Wenn es keine Vision mehr gibt von etwas Großem, Schönem, Wichtigem, dann reduziert sich die Vitalität, und der Mensch wird lebensschwächer “,
meint der Psychoanalytiker Erich Fromm. Filmregisseur Federico Fellini ergänzt:
„Der einzig wahre Realist ist der Visionär.“
Ganz auf dieser Linie sind die Lieder im Advent Mutgesänge, die sagen: Warte, hoffe und bereite dich doch vor!
‚Kündet allen in der Not: Fasset Mut und habt Vertrauen.‘ (GL221)
‚O Heiland reiß den Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf.‘ (GL231)
Da ist jemand unterwegs, der dich nicht noch mehr belasten oder unterdrücken wird, sondern Hoffnung, Zuversicht, neues Leben bringt.
Es gibt Menschen, die erwarten sorgenvoll und angstvoll, was alles auf uns zukommt in den nächsten Jahren: Klimakrise, Kriege, Kostenexplosionen. Und es gibt Menschen, die erwarten, wer auf uns zu kommt: Jesus Christus. Die haben ihren Blick nicht auf die Umstände gerichtet, sondern auf den, der mitten in ihnen steht. Nicht umsonst liegen der erste Adventssonntag und der Christkönigssonntag direkt nebeneinander. Das sind wachsame und daher adventliche Menschen, die mitten in den Wirren unserer Zeit eine zuversichtliche Hoffnung haben. Denn, wem gehört die Zukunft: Meinen Problemen, Ängsten und Sorgen, oder Gott selbst, der in das Chaos dieser Welt kommt?
Für mich ist das keine naïve Durchhalteparole, die die Probleme der Welt ignoriert. Ihr aktueller Zustand entspricht definitiv nicht den Vorstellungen Gottes. Das war zur Geburt Jesu schon nicht anders. Deshalb zeigt sein Leben unserm Leben einen Weg dadurch. Wir dürfen und können mit Glauben und Vertrauen handeln. Widersprich dem Dunkel. Widersprich der Angst. Oder um es mit Martin Luther King, dem Kämpfer für Menschenrechte zu sagen:
»Wenn wir uns nicht auf Gott verlassen, scheitern alle unsere Bemühungen. Aber wenn sein Geist unser Leben verwandelt, finden wir Lösungen für unsere Schwierigkeiten.«
