‚Rache ist süß‘. Dieses geflügelte Wort mag für eine Momentaufnahme herhalten können, doch der Nachgeschmack der Rache ist ein anderer. Es mag mir gelungen sein, mein Gegenüber schmerzlich zu treffen, doch meine eigenen Verletzungen sind dadurch noch lange nicht geheilt. Mag ich aus der Last meiner Erfahrung auch ein Wurfgeschoss schmieden, doch den Konflikt löse ich so noch lange nicht.
Manch einer mag sich eher still leidend zurückziehen und frisst alles in sich hinein. Doch was zu schnell heruntergeschluckt wird, stößt bald wieder auf. Bitterkeit verdirbt den Geschmack am Leben.
Wenn ich mich entschließe, meine Vergebungsbereitschaft nicht mehr an das Schuldbekenntnis des anderen zu knüpfen, dann entscheide ich mich, dass die erlittene Kränkung meinen Lebensweg nicht dauerhaft blockieren darf. Jemandem zu vergeben, heißt ihn loszulassen. Ansonsten mache ich meinen inneren Frieden vom Tun und Lassen der anderen Person abhängig. Wenn ich mich weigere zu vergeben, dann will ich noch immer etwas von ihr. Sie geht vielleicht längst unbeschwert ihrer Wege. Die Last ‚des Nachtragens‘ wiegt dafür in meinen Händen immer schwerer und ihre scharfen Kanten schneiden zusätzlich in mein Inneres. Während ich meine, die Person durch meine Unversöhnlichkeit zu bestrafen, treffe ich zuallererst mich selbst.
Dass dieser Weg aber bitte nicht missverstanden wird. Jesus nennt das Böse böse und den Feind einen Feind. Jesus fordert keine plötzliche Harmonie, die das Geschehene vergessen sein lässt. Er sagt nicht: Ihr müsst jetzt beste Freunde werden. Aber er sagt: ‚Selig du Armer, selig du Enttäuschte, selig du Verletzter. Deine Ehre, deine Sicherheit, dein Schutz liegen in Gottes Händen. Sei stark und kreativ und sei ein Botschafter des Reiches. Segne und fluche nicht. Sprich und schweige nicht. Wende dich zu und nicht ab. Streite, aber verstoße nicht!‘
Dietrich Bonhoeffer hat das so ausgelegt: „Die Überwindung des Anderen erfolgt nun dadurch, dass sein Böses sich totlaufen muss, dass es nicht findet, was es sucht, nämlich Widerstand und damit neues Böses, an dem es sich um so mehr entzünden könnte. Das Böse wird darin ohnmächtig, dass es keinen Gegenstand, keinen Widerstand findet, sondern willig getragen und erlitten wird. Hier stößt das Böse auf einen Gegner, dem es nicht gewachsen ist.“
Jesus hat nicht nur für mich am Kreuz gelitten, sondern auch für den da vor mir, der mir von ganzem Herzen unsympathisch oder zuwider ist. Auch der, den ich nicht lieben kann, der Böses tat, ist und bleibt ein Geschöpf Gottes. Diese Würde kann niemand verlieren. Sie kann ihm nicht genommen werden, weder durch andere noch durch sich selbst.