Gott – was be­deu­tet es, Mensch zu sein?

Gott – was be­deu­tet es, Mensch zu sein?

Das Jo­han­nes­evan­ge­li­um lie­fert mit sei­nem be­rühm­ten Pro­log die kür­zes­te Be­schrei­bung der Ge­burt Jesu in der gan­zen Bi­bel. Ei­nen Satz ver­liert der Au­tor dar­über. Mehr nicht. „Und das Wort wur­de Fleisch und wohn­te un­ter uns.“ Das ist al­les. Wie das vor sich ging – Ge­burt, Wei­se, Hir­ten, Krip­pe oder wie auch im­mer –, scheint ihn nicht zu in­ter­es­sie­ren. Er kon­zen­triert sich ganz auf den ei­nen Ge­dan­ken: Das ewi­ge Wort, der Lo­gos, ist in Je­sus kör­per­lich ge­wor­den. Je­sus Chris­tus als Wort Got­tes an uns. Es kommt aus der himm­li­schen Welt zu al­len Men­schen, die sich ent­schei­den müs­sen, ob sie es an­neh­men wol­len oder nicht.

Wir ha­ben in un­se­rer Kul­tur so oft von dem Kind in der Krip­pe ge­hört, dass wir den Irr­witz die­ses Ge­dan­kens nur noch am Ran­de wahr­neh­men. Jo­han­nes ver­sucht in die­sem ei­nen Satz die Zu­mu­tung be­greif­bar zu ma­chen, die dem christ­li­chen Glau­ben zu­grun­de liegt.

Weih­nach­ten und die In­kar­na­ti­on, das be­deu­tet, dass Gott kei­ne Mühe ge­scheut hat, um je­mand zu wer­den, den wir per­sön­lich ken­nen­ler­nen kön­nen. In den Evan­ge­li­en se­hen wir Gott in mensch­li­cher Ge­stalt. Wir er­le­ben sei­ne Voll­kom­men­heit auf eine Art, mit der wir et­was an­fan­gen kön­nen. Wir se­hen sei­ne Lie­be, sei­ne De­mut, sei­ne Herr­lich­keit, sei­ne Weis­heit und Barm­her­zig­keit – und zwar nicht mehr als abs­trak­te Be­grif­fe, son­dern in all ih­rer atem­be­rau­ben­den Realität.

Weih­nach­ten, das Fest der Mensch­wer­dung Got­tes, be­deu­tet, dass Gott sich nicht da­mit zu­frie­den­gibt, ein re­li­giö­ser Be­griff zu sein oder je­mand, den man von fer­ne kennt. Gott wird Teil des ganz nor­ma­len Wahn­sinns, den wir Welt nen­nen. So ist Gott nicht mehr ‚da oben‘ zu fin­den und schon gar nicht nur dort, wo es fromm und hei­lig zu­geht, son­dern tat­säch­lich in­mit­ten von al­lem. Dann gibt es kei­ne Tren­nung mehr, hier das Hei­li­ge, dort der Wahn­sinn, hier das From­me, das Re­li­giö­se, dort das All­täg­li­che, das Un­be­deu­ten­de. Nein. Der christ­li­che Glau­be er­zählt von ei­nem dies­sei­ti­gen Gott, der die Welt nicht bloß trotz, son­dern in­mit­ten ih­rer Schwä­che liebt.

Soll­te ich in ei­nem Wort zu­sam­men­fas­sen, wor­um es beim christ­li­chen Gott geht, dann wür­de ich das Wort Nähe wäh­len. Nähe zwi­schen Gott und Mensch und Mensch und Mensch. Das war die Mis­si­on von Je­sus aus Na­za­reth. Men­schen und Gott mit­ein­an­der ver­bin­den. Em­pa­thie, Barm­her­zig­keit, Mit­ein­an­der – Nähe. Sein Le­ben buch­sta­bier­te den un­bän­di­gen Glau­ben, dass Gott je­den ein- und nie­man­den ausschließt.

Dass zwi­schen Wunsch und Rea­li­tät das Le­ben liegt, war auch Je­sus mehr als be­wusst und das Kreuz schließ­lich, ließ es ihn deut­lich zu spüren.

Da­her stellt sich mit dem Weih­nachts­fest Jahr für Jahr neu die Fra­ge: Gott – was be­deu­tet es, Mensch zu sein?