So hat das funktioniert in der Kindheit: Ein Abzählreim als Zufallsgenerator, wer dran ist und wer nicht, wer draußen und wer drinnen ist. Heute erkenne ich, das war eine Schule fürs Leben. Denn im Grunde geht das Spiel munter weiter: Die einen gehören dazu, die anderen nicht. Hast du ein Wort, ein Lächeln, einen freundlichen Blick, eine Hand, die mal hilft, ein bisschen Zeit für einen Kaffee, etwas Interesse? So verliert das Spiel an Leichtigkeit: Zum Außenseiter werden die, die es nicht so packen, die in der Schule immer als letztes in die Mannschaft gewählt werden, im Beruf bestenfalls unterer Durchschnitt, deren Kinder schwierig und die nur mäßig unterhaltsam sind. Zum Außenseiter werden aber auch die, die vom Leben geschlagen sind. Es gibt Krankheiten mit sozialen Nebenwirkungen. Auch Arbeitslosigkeit macht einsam.¹ Wer nicht mehr bezahlen kann, was sich andere leisten, um mittendrin statt nur dabei zu sein. Ein ernstes Thema.
Das ist unsere Sehnsucht: Dazu gehören zu dürfen. Das ist unser Schmerz: Nicht dazu gehören zu dürfen. Das ist unsere Bosheit: Anderen den Zutritt verwehren.
Wer in biblischer Zeit Aussatz hatte, war solch ein Außenseiter mit ruinierter Gesundheit, abstoßend anzusehen, dazu verdammt, in einsamer Einöde seine Tage zu verbringen. In einer religiösen Gesellschaft addierte sich der Makel hinzu, als von Gott geschlagen und bestraft zu gelten. Alles zusammen brüllt: Halt dich fern! Ignoriere ihn!
Doch der Aussätzige riskiert etwas. Er nähert sich Jesus. Das ist ein Regelverstoß! Irgendetwas an diesem Jesus muss den Aussätzigen berührt haben. Irgendetwas hat eine kleine Hoffnung in sein Innerstes gepflanzt. Er nimmt seinen verbliebenen Mut zusammen. Das ist das erste Wunder dieses Evangeliums: Ein Mensch bleibt nicht brav im Opferland. Er verlässt die zugeschriebene Rolle. Lassen Sie sich anstecken von solcher Tapferkeit! Wagen Sie es zu sagen: ‚Ich will mich nicht beugen und ergeben! Ich will wieder nach Lösungen suchen!‘ Es lohnt sich, denn Jesus lässt sich berühren vom Schicksal dieses Menschen. Er lässt sich hineinziehen in seine Geschichte. Es ist nicht Ekel, der sich ihm in den Magen bohrt. Es ist Zorn über das, was dieser Mensch durchmachen muss. So ist es, wenn wir es mit Gott zu tun bekommen. So und nicht anders: Du bist kein Außenseiter, wenn es um seine Aufmerksamkeit geht. Nicht nur das, du findest tiefes Mitgefühl.
So wird christlichen Gemeinden Sinn und Ansporn ins Stammbuch geschrieben, Menschen etwas spüren zu lassen vom großen Herzen Gottes. Dass Menschen spüren und erleben: Ich zähle. Ich bin nicht ausgeschlossen, sondern willkommen. Es gibt einen Ort auf der Erde und eine Adresse im Himmel, bei der ich kein Außenseiter bin!
Interessant ist, was dann geschieht. Jesus schickt ihn zurück. Er wird nicht mit ihm ziehen. Dem Außenseiterschicksal wird endgültig ein Ende gemacht. Die Begegnung mit Jesus hat ihn stark gemacht, stark genug, um seine Beziehungen zu kämpfen. Jetzt hat er die nötige Ausrüstung, sich zurückzuarbeiten in die Gemeinschaften. So ist das, die Begegnung mit Jesus macht nicht schwache, abhängige, kleine Menschen, sondern starke. Denen traut Jesus viel zu und mutet ihnen einiges zu. So ist das – bis heute!
¹ https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/seelsorger-fuer-arbeitslose-die-menschen-sind-so-verdammt-allein‑1.2365331