Be­rech­tig­te Sehnsucht

Be­rech­tig­te Sehnsucht

Ich glau­be an die Auf­er­ste­hung der To­ten und zu­gleich ken­ne ich den Zwei­fel im Kel­ler mei­ner See­le. Wie Ma­ria am Os­ter­mor­gen den Blick ins Dun­kel des Gra­bes wagt, so stei­ge ich manch­mal hin­un­ter und schaue, was er so macht. Im­mer wie­der grinst er mich dann an und arg­wöhnt, wor­an ich fest­hal­te, sei Heuchelei.

Es stimmt: Wir ha­ben kei­ne Fak­ten dar­über, was nach dem Tod kommt. Vie­le schei­nen et­was zu wis­sen, aber Be­wei­se gibt es kei­ne. Dass wir gänz­lich er­lö­schen, wenn un­ser Leib in die Erde ge­legt wird, ist eine rea­lis­ti­sche Mög­lich­keit. Viel­leicht ist es so, muss der Ver­stand sa­gen. Ich ken­ne die Auf­er­ste­hung nicht aus ei­ge­ner Er­fah­rung. Aber ken­nen die­je­ni­gen, die sie als Hirn­ge­spinst ab­tun, ken­nen sie das Nichts nach dem Tod aus ei­ge­ner Er­fah­rung? Ha­ben sie die bes­se­ren Kar­ten in der Hand? Ich mei­ne, in al­len gro­ßen Fra­gen des Le­bens kann kein Mensch sa­gen: „Ich weiß“, son­dern im­mer nur: „Ich glau­be, zu wis­sen“. Die Lo­gik lässt uns die Wahl, was wir glau­ben, was wir zur Mo­ti­va­ti­on un­se­res Le­bens ma­chen wol­len. Weil das so ist, müs­sen wir uns ent­schei­den, wel­ches „Viel­leicht“ wir zum Be­stim­men­den machen.

Für den Glau­ben an die Auf­er­ste­hung gibt es gute Grün­de. Den Men­schen kenn­zeich­net zu­tiefst, dass er ein We­sen vol­ler Sehn­süch­te ist.  Eine der tiefs­ten ist die Sehn­sucht da­nach, dass Lie­be nicht en­det. Mag ich noch so ab­ge­klärt über den Tod den­ken, wenn je­mand stirbt, den ich lie­be, dann kann ich nicht an­ders als den­ken und mir wün­schen, es möge an­ders sein. Die auf­op­fe­rungs­vol­le Sor­ge Ma­ri­as um den To­ten, der Gang zum Grab spre­chen da Bände.

Die Lie­be ist ein Schrei nach Un­end­lich­keit. Die Lie­be ver­langt Un­end­lich­keit, kann sie sich selbst aber nicht ge­ben. Denn auch ge­lieb­te Men­schen ster­ben. Es wäre schreck­lich, wenn uns das Uni­ver­sum so zy­nisch be­trügt, dass wir als Men­schen ei­nen Sinn in uns ha­ben, ihm aber nichts in der Wirk­lich­keit ent­spricht. Wir ha­ben die Sehn­sucht, dass Lie­be dau­ert, aber „in echt“ kannst du das ver­ges­sen. Wo­her aber ha­ben wir dann so mensch­heits­über­grei­fend in­ner­lich die­sen Sinn, wenn er in der Wirk­lich­keit kei­ne Ent­spre­chung findet?

Im Men­schen steckt ein un­end­li­cher Drang nach Frei­heit, Ge­rech­tig­keit, Glück, Le­ben und Zu­kunft. Zeigt das al­les nicht, dass der Mensch ir­gend­wie von der Un­end­lich­keit be­rührt ist? Dass in ihm et­was ist, was die End­lich­keit sprengt und so­mit auch die Gren­ze des To­des über­win­det? Wer ge­ra­de in der Lie­be den Tod als Gren­ze schmerz­lich spürt, ist be­reits an­ge­rührt von et­was, das jen­seits des To­des liegt. Es gibt eine be­rech­tig­te Hoff­nung, dass uns Je­sus, das Le­ben, eben­so be­geg­nen wird, wie er Ma­ria am Os­ter­mor­gen anspricht.