Zu­frie­den

Stän­dig wer­den wir von al­len mög­li­chen Sei­ten mit An­ge­bo­ten ge­flu­tet, die nur ein gro­ßes Ziel ver­fol­gen, mir zu zei­gen, wie un­zu­frie­den ich ei­gent­lich mit mei­nem Le­ben sein soll­te und dass mein Le­ben doch viel er­füll­ter wäre, wenn ich mir die­se Nu­tel­la aufs Brot schmie­re, mir jene Au­to­ver­si­che­rung an Land zie­he und mir die­se ex­qui­si­te Uhr gön­ne, dann, ja dann hät­te ich ei­nen klei­nen Grund, et­was zu­frie­de­ner zu sein – bis, ja bis das nächs­te An­ge­bot wie­der um die Ecke kommt. Kei­ner von uns ist voll­kom­men im­mun da­ge­gen. Al­ler­dings stellt sich da be­rech­tig­ter­wei­se die Fra­ge, wie zu­frie­den soll­te ich mit mei­nem Le­ben ei­gent­lich sein, be­zie­hungs­wei­se wie kann ich ei­gent­lich über­haupt zu­frie­den werden?

 

Nur we­ni­ge Men­schen ha­ben die Su­che nach Zu­frie­den­heit so sehr bis zum Äu­ßers­ten ge­trie­ben, wie die­ser Mann: Kö­nig Sa­lo­mo. In zwölf Ka­pi­teln hält er im alt­tes­ta­ment­li­chen Buch Ko­he­let sein Rin­gen nach Zu­frie­den­heit fest und er schreibt als ei­ner, der im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes al­les durch hat. Er legt zu Be­ginn die­ses Bu­ches sie­ben Wege da, die tod­si­cher in die Un­zu­frie­den­heit führen.

Als Ers­tes schaut er auf die Ge­sund­heit und kommt zu der bril­lan­ten Er­kennt­nis: Ob ge­sund oder krank, das Er­geb­nis von bei­den We­gen ist am Ende das­sel­be, das Herz wird ir­gend­wann auf­hö­ren, zu schla­gen. Wir wer­den ster­ben und der Ra­sen, der drau­ßen wächst, der wird mich über­dau­ern. Ge­sund­heit kann nicht zum Maß­stab al­ler Din­ge ge­macht wer­den, weil mir die Ge­sund­heit am Ende de­fi­ni­tiv ge­nom­men sein wird, wenn mein Kör­per sei­nen Geist aufgibt.

Als Zwei­tes schau­te er auf die Bil­dung. Sa­lo­mo sagt nun wahr­lich nicht, dass Bil­dung und Wis­sen et­was Schlech­tes sind. Aber Sa­lo­mo stellt auch hier fest, es wird dich nicht sät­ti­gen. Je mehr du weißt, umso grö­ßer wer­den der Frust und der Schmerz wer­den. Wenn du mehr er­kennst, wirst du umso mehr mer­ken, was in die­ser Welt al­les schief läuft. Umso mehr wird ein Hun­ger in dir er­wa­chen, noch mehr wis­sen zu wol­len, um noch mehr zu er­ken­nen, noch mehr zu ver­ste­hen und noch mehr zu er­grün­den. Auch die­ser Hun­ger wird am Ende in die­sem Le­ben nicht ge­stillt wer­den können.

Dann kommt die Ar­beit. Dem Work­aho­lic geht es letzt­end­lich ja nicht um das che­mi­sche High, son­dern um sei­ne Leis­tung, um das, was er pro­du­ziert und dar­stellt. Sa­lo­mo hält zu­nächst fest, es gibt eine ein­fa­che Ein­sicht. Es wird ir­gend­wann je­mand kom­men, der es bes­ser kann als du. Es wird im­mer je­man­den ge­ben, der es ein­fach bes­ser und ir­gend­wie schö­ner hin­be­kommt als ich es kann. Zum an­de­ren sagt Sa­lo­mo, die Zeit, die du in­ves­tierst in dei­ne Ar­beit, wird dir nicht er­set­zen, dass du nicht dei­ne Kin­der hast auf­wach­sen se­hen. Die Zeit, die du in dei­ne Ar­beit in­ves­tiert hast, wird dir nicht er­set­zen, dass du Freund­schaf­ten hin­ten­an­ge­stellt und da­mit im Lau­fe dei­nes Le­bens auch Men­schen ver­lo­ren hast. Die Ar­beit kann dir am Ende auch nicht die Be­frie­di­gung und die Zu­frie­den­heit im Le­ben ge­ben, nach der du dich ei­gent­lich sehnst und die du suchst.

Ein wei­te­rer, viel­ver­spre­chen­der Weg in die Un­zu­frie­den­heit ist die Sucht nach Ver­gnü­gen. Sa­lo­mo be­schreibt ziem­lich ex­pli­zit, wie er die er­le­sens­ten Spei­sen und die be­rau­schends­ten Ge­trän­ke in Mas­sen in sich hin­ein­füllt. Nach­dem er das Gan­ze ei­ni­ge Zeit ge­nos­sen hat, kommt er doch zu ei­ner ent­schei­den­den Fra­ge, näm­lich wie viel Wein es ei­gent­lich braucht, die Lee­re im Her­zen bis in die letz­ten Rit­zen zu fül­len. Klei­ner Tipp, es gibt nicht aus­rei­chend Wein in die­sem Le­ben, um auch wirk­lich die in­ners­te Lee­re bis zum letz­ten Ende zu fül­len, da­mit sie end­lich Ruhe gibt und sich nicht ir­gend­wann wie­der meldet.

Als nächs­tes auf der Lis­te kam der Wohl­stand. Ma­te­ri­el­ler Se­gen ist nichts Schlech­tes. Aber auch in die­sem Punkt stell­te Sa­lo­mo das­sel­be fest, wie in vie­len an­de­ren Be­rei­chen. Ge­nug ist eben nie ge­nug. Wir kön­nen den Hals nicht voll ge­nug krie­gen und es gibt im­mer noch et­was, was wir ger­ne be­sit­zen, ha­ben, er­rei­chen und er­lan­gen möch­ten. Auch an die­ser Stel­le reicht es nie aus und reicht die­ses Le­ben de­fi­ni­tiv nicht, um die gan­ze Fül­le in uns aufzusaugen.

Dann kam ei­nes der pro­ba­tes­ten Mit­tel auch in un­se­rer Ge­sell­schaft, um Er­fül­lung zu su­chen: Der Sex. Da hat­te Sa­lo­mo wahr­lich viel zu tun: 300 Frau­en, 700 Ne­ben­frau­en. Aber am Ende kam er dann doch bei dem aus, was schon der gro­ße Theo­lo­ge Mick Jag­ger fest­stell­te: Can’t get no sa­tis­fac­tion! Auch der Sex führ­te nicht dazu, dass Sa­lo­mo end­lich die Er­fül­lung und die Be­frie­di­gung fand, die ihm am Ende ir­gend­wie ver­sprach, dau­er­haft glück­lich zu machen.

Als letz­tes kam der Ruhm. Auch in un­se­rer Zeit ein gän­gi­ges Mit­tel, um Zu­frie­den­heit zu fin­den. Der Ap­plaus der Mas­sen, die Be­wun­de­rung der Men­schen. Aber auch da stell­te Kö­nig Sa­lo­mo fest, wenn die Tü­ren ge­schlos­sen sind und spä­tes­tens, wenn man abends dann doch al­lein in sei­nem Bett liegt, dann reicht auch die Be­wun­de­rung nicht aus, um ei­nen in­ner­lich zu fül­len, uns im Frie­den am Ende des Ta­ges zurückzulassen.

Da stand er nun, der Sa­lo­mo am Ende sei­ner lan­gen, ver­geb­li­chen Rei­se und hat­te im­mer noch nicht ge­fun­den, was ihn zu­frie­den mach­te. Er en­de­te bei dem, was schon U2 fest­stell­te: I still ha­ven’t found what i’m loo­king for. Die Fra­ge scheint über die Jahr­hun­der­te und Jahr­tau­sen­de im­mer die­sel­be zu sein. Dass Kö­nig Sa­lo­mo al­les in die­sem Buch fest­ge­hal­ten hat, bringt den gro­ßen Vor­teil, dass wir un­se­re Zeit nicht mit der Jagd nach Din­gen ver­schwen­den müs­sen, die eh kei­nen Sinn und eh kei­ne Zu­frie­den­heit versprechen.

Sa­lo­mo hält am Ende drei Eck­pfei­ler fest. Drei Din­ge und drei Fra­gen, die wirk­lich nö­tig sind, um zu ei­ner ech­ten Zu­frie­den­heit in sei­nem Le­ben zu fin­den. Die ers­te Fra­ge ist so ein­fach und so schwie­rig zu­gleich: Bringt die­se Sa­che wirk­li­che, ech­te Zu­frie­den­heit? Wann im­mer sich in un­se­rem Le­ben eine Leer auf­tut, wer­den sich zig Din­ge mel­den, die um un­se­re Auf­merk­sam­keit buh­len und un­be­dingt in un­ser Le­ben Ein­zug hal­ten wol­len. Aber ge­nau in die­sen Mo­men­ten kommt es dar­auf an, ei­nen Schritt zu­rück­zu­tre­ten und sich ganz ehr­lich zu fra­gen: Macht mich das am Ende wirk­lich zu­frie­den oder um wel­che Sehn­sucht und wel­ches Ver­lan­gen geht es ei­gent­lich? Manch­mal ist es sinn­vol­ler, eine Sehn­sucht wach­zu­hal­ten, an­statt sie vor­schnell mit den fal­schen Din­gen zu be­frie­di­gen und ru­hig zu stellen.

Der zwei­te Blick­win­kel, den Sa­lo­mo an­bie­tet, ist es, sich zu fra­gen: Passt die­se Sa­che, die ich be­geh­re, wirk­lich zu den Zie­len, die ak­tu­ell in mei­nem Le­ben dran sind? Nicht al­les ist ver­werf­lich. Nicht al­les ist schlecht. Aber manch­mal ist es ein­fach nicht die rich­ti­ge Zeit da­für, weil jetzt ge­ra­de in mei­nem Le­ben et­was An­de­res dran ist. Das hat et­was da­mit zu tun: Wel­che Zie­le ver­fol­ge ich ei­gent­lich? Was ist mir ak­tu­ell wich­tig? Was will ich er­rei­chen? Was will ich ver­lan­gen? Wo­für will ich mich ein­set­zen? Da­von aus­ge­hend ist zu fra­gen, was dient die­sen Zie­len und was dient die­sen Zie­len eben auch nicht.

Die letz­te Fra­ge, die Sa­lo­mo stellt, ist die be­deu­ten­de Grund­satz­fra­ge: Hel­fen mir die­se Din­ge, hel­fen mir die­se Ent­schei­dung und das, wo­nach ich ver­lan­ge, ein be­deu­tungs­vol­les Le­ben zu füh­ren? Das ist der blick der Ewig­keit, der Blick auf das Ende mei­nes Le­bens. Wor­auf will ich am Ende zu­rück­schau­en? Wo­für will ich wirk­lich ge­lebt ha­ben? Wo­für soll die­ses Le­ben am Ende es wert ge­we­sen sein? Die­ses Le­ben kön­nen wir nur ein­mal le­ben und es geht im­mer nur nach vor­ne und nie zu­rück. Des­we­gen geht es also dar­um, den Men­schen dazu auf­zu­for­dern, sich in al­ler Klar­heit und in al­ler Ziel­ori­en­tiert­heit auf den Weg zu ma­chen, die Kämp­fe an­zu­neh­men, die kom­men und sich nicht vor­schnell mit kurz­fris­ti­ger Be­frie­di­gung zufriedenzugeben.

Ech­te Zu­frie­den­heit ver­langt nach ei­nem gro­ßen Gan­zen, nach ei­ner Ge­samt­per­spek­ti­ve auf die­ses Le­ben, wor­un­ter ich dann al­les an­de­re ein­ord­nen kann.