Bereits der Psychoanalytiker Erich Fromm wies darauf hin, dass der Mensch eine Vision zum Leben braucht. Wir brauchen eine Vision von etwas Großem, etwas Schönem, etwas Erstrebenswerten. Ohne diese Vision verliert das Leben an Vitalität und werden wir lebensschwächer, demotivierter und ziehen uns mehr in uns selbst zurück. Dazu gehört dann wohl auch eine neue Vision vom Umgang mit der Zeit zu entwickeln.
Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir wichtig sind, die mir am Herzen liegen. Menschen, bei denen ich weiß, ich fühle mich aufgehoben, sie tun mir gut. Ich darf mich lassen. Ich darf sein und sie berühren mich. Was dem Ganzen etwas unterstützend zur Seite springen kann, ist, dass wir einfach etwas mehr Zeit in unsere Mahlzeiten investieren. Man hat herausgefunden, dass wir Deutsche und Amerikaner deutlich mehr Zeit mit der Auswahl von Mahlzeiten verbringen, als mit dem Essen selbst. Das wiederum, das haben die Franzosen in Perfektion in ihre Kultur integriert. Franzosen lassen sich viel mehr Zeit fürs Essen selbst und ziehen deswegen aus den Mahlzeiten deutlich mehr Befriedigung als die Amerikaner und Deutschen. Statt sich also in Zukunft Gedanken über die Rezepte im Kochbuch und die Thermomix Vorlagen zu machen, oder unendliche Zeit zu investieren, in die Speisekarte der Pizzerien, einfach mehr Zeit für das Essen selbst einplanen, damit Raum entsteht für die Gespräche, für die in den Kaffeepausen auf dem Arbeitsplatz herzlich wenig Zeit bleibt. Zeit für wesentliche Gespräche, für Dinge, die uns bewegen, die uns umtreiben, die uns angehen. Zeit für Gespräche, die das Leben vertiefen und die uns wieder deutlich machen, warum wir die Menschen so sehr schätzen, die einen Platz in unserem Leben haben.
Deswegen vielleicht auch eine neue Kultur von Freizeit. Man hat herausgefunden, dass aktive Erholung unserem Wohlbefinden deutlich zuträglicher ist, als passive Erholung. Das meint deutlich mehr Ehrenamt, deutlich mehr Sport und deutlich mehr Spaziergänge anstelle von Netflix, Onlineshoppen oder sogar das mittägliche Schläfchen.
Es braucht Zeit für Ehrfurcht, dass wir wieder neu Staunen lernen über die Wunder dieser Welt, dass wir wieder neu entdecken lernen, was diese Welt an Großartigem, Wunderbaren und Schönen bereit hält. Dass diese Welt immer größer ist, als wir es in einer Lebenszeit entdecken, erkunden und begreifen können. Ja, diese Welt enthält auch viel, was uns erschreckt und zutiefst verunsichert. Dennoch sollten wir überall dem das Staunen über das Wunderbare dieser Welt nicht verlernen.
Dafür ist es nötig, dass wir wieder neu lernen, in Zeit zu investieren, dass wir uns Freiräume verschaffen für Langeweile für Müßiggang, für Nichtstun. Damit in uns wieder neue Ressourcen, neue Kreativität und neue Lebensenergie entstehen.
Wo Weihnachten doch gerade vor der Tür steht, sollten wir uns vielleicht einfach Zeit schenken lassen. Zeit, die wir miteinander verbringen. Oder auch Zeiten, wo Menschen für uns Dinge übernehmen und tun, damit wir wirklich einfach Freiraum und Leerlauf haben.
Wenn wir also daran gehen, unsere Kalender zu planen für das neue Jahr, dann sollten wir nicht nur schauen, welche Aufgaben, Projekte und welche Notwendigkeiten wir unterzubringen haben, sondern wir sollten uns auch Zeit dafür nehmen, wohin wir uns entwickeln wollen, wer wir werden wollen. Dafür sollten wir auch ausreichend Zeit einplanen, damit wir am Ende unseres Lebens wirklich die Menschen geworden sind, für die das Potenzial in uns angelegt gewesen ist und das gilt auch für den Glauben. Auch der verlangt seinen Platz in unserem Kalender; denn am Ende verliert man den Glauben nicht deswegen, weil uns Menschen mit ach so klugen Argumenten von seiner Unsinnigkeit überzeugt haben, sondern der Glaube kommt uns auch manchmal deswegen abhanden, weil er nicht ausreichend gepflegt worden ist, weil zu wenig Zeit für ihn da war und er deswegen am Ende unserem Leben keine Form mehr gibt.
Zücken Sie also die Kalender. Planen Sie. Planen Sie großzügig. Planen Sie mit viel Zeit und planen Sie vor allen Dingen auch mit Blick auf den Menschen, der Sie gerne werden möchten.