Willst du mit mir geh’n

Willst du mit mir geh’n

Die Wei­sun­gen der Vä­ter – Die Apophthegmata :

Die Vä­ter­sprü­che sind Ant­wor­ten auf kon­kre­te Fra­gen: Was soll ich tun? Die Vä­ter äu­ßer­ten nicht hoch­flie­gen­de theo­lo­gi­sche Ge­dan­ken, son­dern ganz hand­fes­te prak­ti­sche Le­bens­wei­sun­gen. Fer­ner hat­ten sie nicht eine vor­ge­fer­tig­te Ant­wort be­reit, son­dern ga­ben ei­nem be­stimm­ten Men­schen in ei­ner be­stimm­ten Si­tua­ti­on ei­nen spe­zi­fi­schen Rat. Zu­gleich lag ih­nen an der Ver­all­ge­mei­ne­rung der Si­tua­ti­on, da­mit auch an­de­re ih­ren Ge­winn aus der Un­ter­hal­tung zie­hen konnten.

 

Trös­ten und Er­mu­ti­gen:

Eine der wich­tigs­ten Re­geln für die geist­li­chen Vä­ter und Müt­ter der Wüs­te lau­tet: nicht ver­ur­tei­len und nicht in Trau­er stür­zen, son­dern auf­rich­ten und trösten.

„Wenn ein Mensch sün­digt und es leug­net, in­dem er spricht: Ich habe nicht ge­sün­digt, so ver­ur­tei­le ihn nicht. An­dern­falls nimmst du ihm den Mut. Wenn du aber sagst: sei nicht mut­los Bru­der, aber hüte dich in Zu­kunft, dann er­weckst du sei­ne See­le zur Reue.“ (Apo 597)

Es geht um die Fra­ge, was ist für den an­de­ren an­ge­mes­sen? Er soll nicht durch Idea­le und Ab­so­lut­hei­ten er­schla­gen wer­den. Das er­fo­dert ei­nen be­hut­sa­men Um­gang mit den Rat­su­chen­den und ei­nen Schutz vor Ver­ur­tei­lung durch an­de­re, selbst und viel­leicht ge­ra­de dann, wenn die­se Ver­ur­tei­lung be­grün­det ist. (Schluss­sze­ne im Film – der Jun­ge lügt für den Kol­la­bo­ra­teur) Bei den Wüs­ten­vä­tern gibt es ein ab­so­lu­tes Ver­trau­en in die Um­kehr­fä­hig­keit und ‑mög­lich­keit des Men­schen und in die Barm­her­zig­keit Got­tes. Es gibt kei­ne aus­sichts­lo­sen Si­tua­tio­nen. Es gilt: Der Mensch wird nicht auf sei­ne Tat re­du­ziert. Sei­ne gan­ze Wirk­lich­keit muss er­fasst werden.

Die Wüs­ten­vä­ter wis­sen, dass ab­so­lu­te Lau­ter­keit und Selbst­lo­sig­keit Men­schen über­for­dern, dass das Schei­tern an über­höh­ten For­de­run­gen oder Idea­len Men­schen in Trau­rig­keit stürzt, oder ver­lei­tet, Be­dürf­nis­se zu ver­drän­gen. Im­mer wie­der len­ken die Alt­vä­ter den Blick auf die ei­ge­ne Un­zu­läng­lich­keit und be­grün­den so den barm­her­zi­gen und er­mu­ti­gen­den Um­gang mit den an­de­ren. Das braucht vor al­lem Ge­duld – mit sich selbst und den anderen.

 

Be­hut­sam zur Wahr­heit füh­ren und kei­ne Ent­schei­dung abnehmen:

Nach Mög­lich­keit soll der Fra­gen­de selbst zu sei­ner Ant­wort finden.

Die Vä­ter wei­gern sich strikt, für die Rat­su­chen­den Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und ih­nen da­mit die Ver­ant­wor­tung ab­zu­neh­men. Sie er­öff­nen mit Übun­gen und Rat­schlä­gen Er­fah­rungs­räu­me, die dem Bru­der hel­fen, eine Ent­schei­dung zu tref­fen oder Kri­te­ri­en da­für zu finden.

Ein ent­schei­den­des Kri­te­ri­um ist das der in­ne­ren Ruhe. Es geht um eine Schu­lung der Auf­merk­sam­keit für die in­ne­ren Ge­füh­le. Gibt es in ei­ner Ent­schei­dung zwei gleich­wer­ti­ge Al­ter­na­ti­ven: was dient mei­ner mensch­li­chen Ent­wick­lung im Sin­ne von Rei­fung der Selbst- und Got­tes­er­kennt­nis. Bei­de Sei­ten sol­len in den Blick ge­nom­men wer­den, wo­bei der Fra­gen­de selbst er­spü­ren ler­nen soll, wo­hin es ihn mehr neigt.

„Ein Bru­der frag­te den Greis: ‚Wel­che gute Tat gibt es, die ich tun soll, da­mit ich lebe?‘ (…) Und er ant­wor­te­te: ‚Sind nicht alle Tä­tig­kei­ten gleich? Abra­ham war gast­freund­lich – und Gott war mit ihm! (Gen 18,1−9). Eli­as lieb­te die Her­zens­ru­he und Gott war mit ihm! (1Kön 17,5; 19,4). Da­vid war de­mü­tig und Gott war mit ihm! (1Sam 18,23). Wo­von du siehst, dass es dei­ne See­le im Ein­klang mit Gott will, das tue, und du wirst dein Herz be­wah­ren!‘“ (Apo 557)

Es gibt Men­schen, die fäl­len nie eine Le­bens­ent­schei­dung, weil sie mei­nen, sie hät­ten noch nicht wirk­lich alle Stim­men ge­hört, noch nicht alle Aspek­te er­wo­gen. Auf je­dem Ent­schei­dungs­weg gibt es ei­nen Punkt, an dem es kein Zu­rück mehr gibt, weil al­les We­sent­li­che ab­ge­wo­gen wur­de und nun Han­deln an­ge­sagt ist: Das Herz weiß es schon, nur der Kopf ist noch ver­wirrt. Will man den ent­schei­den­den Au­gen­blick nicht ver­pas­sen, dann muss man die alte Re­gel der Sprung­rei­ter be­fol­gen: »Wirf dein Herz vor­aus und dann spring nach!« Ohne das Wag­nis des Sprungs wird das Le­ben nicht ge­lin­gen (vgl. Mt 10,39).

 

Ge­füh­le und Be­dürf­nis­se zulassen

Die auf­merk­sa­me Be­trach­tung der in­ne­ren Vor­gän­ge, der Ge­dan­ken und Be­we­gun­gen ist wich­tig, um ihre Ur­sa­che zu fin­den und mit ih­nen um­ge­hen zu ler­nen. Evagri­os er­mun­tert dazu, sich mit den Ge­dan­ken ver­traut zu ma­chen, sie be­wusst zu er­le­ben und sie zu ende den­ken, dann wird der Mönch er­ken­nen, was sie ihm sa­gen wol­len. Er empfiehlt:

„Es ist für uns sehr wich­tig, dass wir die ver­schie­de­nen Dä­mo­nen auch zu un­ter­schei­den ler­nen, und dass wir die Be­gleit­um­stän­de ih­res Kom­mens fest­stel­len kön­nen. Das kön­nen uns un­se­re Ge­dan­ken leh­ren und die­se wie­der­um er­ken­nen wir an den Ob­jek­ten, um die sie krei­sen. Wei­ter­hin soll­ten wir dar­auf ach­ten, wel­che Dä­mo­nen sel­te­ner an­grei­fen und wel­che die läs­ti­ge­ren sind, wel­che schnel­ler wie­der das Feld räu­men und wel­che stär­ke­ren Wi­der­stand leis­ten. (…) Es ist ganz we­sent­lich, dar­über be­scheid zu wis­sen, da­mit, wenn die ver­schie­de­nen schlech­ten Ge­dan­ken auf die ih­nen ent­spre­chen­de Art und Wei­se ans Werk ge­hen, wir ih­nen wirk­sa­me Wor­te ent­ge­gen hal­ten kön­nen, das heißt sol­che Wor­te, die den, der am Wer­ke ist, auch rich­tig be­zeich­nen. Wir müs­sen das tun, be­vor sie uns aus un­se­rer Geis­tes­ver­fas­sung brin­gen. Nur so wer­den wir mit der Gna­de Got­tes gute Fort­schrit­te er­zie­len. Wir wer­den sie ver­ja­gen, sie aber wer­den sich är­gern und gleich­zei­tig wun­dern, mit wel­chem Scharf­blick wir sie er­kannt haben.“

In al­len Be­we­gun­gen des Men­schen und al­len Vor­gän­gen ste­cken po­si­ti­ve Kräf­te, die es zu ent­de­cken gilt. Wenn ei­ner aus Angst vor der Ver­su­chung die Lei­den­schaf­ten ab­schnei­det, dann fehlt ihm auch die Kraft, die dar­in steckt. Es geht um eine Ver­wand­lung des Men­schen, kei­ne Ver­än­de­rung, denn die ist et­was Ge­walt­sa­mes. Ver­än­de­rung meint meist: Ich will mich än­dern, weil ich so, wie ich bin, nicht gut bin. Ich will mich an­ders ma­chen. Ver­wand­lung ist sanf­ter: Al­les darf sein, alle Ge­dan­ken und Ge­füh­le, alle Be­dürf­nis­se und Lei­den­schaf­ten. Sie müs­sen nur ver­wan­delt wer­den. Ver­wand­lung meint, dass ich mich in die Be­dürf­nis­se und Lei­den­schaf­ten hin­ein­spü­re und sie zu Ende den­ke, zu Ende füh­le. Dann ent­de­cke ich, was ei­gent­lich da­mit ge­meint ist.

 

Was gute Freun­de tun:

  • Rich­ter 11,37.38: mitweinen
  • Hiob 2,11: be­su­chen, Bei­leid be­zeu­gen, trösten
  • Hiob 6,14: dem Freund Mil­de erweisen
  • Hiob 19,21: dem Freund Er­bar­men zeigen
  • Hiob 42,10: für den Freund beten
  • Psalm 35,14: um den Freund (in sei­ner Not) trauern
  • Sprü­che 17,17: be­stän­di­ge, treue Lie­be zeigen
  • Sprü­che 27,9: gute Rat­schlä­ge geben
  • Sprü­che 27,10: den Freund nicht verlassen
  • Lied der Lie­der 5,1: mit dem Freund fröh­lich Essen
  • Lu­kas 7,6: für den Freund (in sei­ner Not) einsetzen
  • Lu­kas 11,5–8: dem Freund das ge­ben, was er erbittet
  • Lu­kas 15,6.9: mit den Freun­den sich freuen
  • Lu­kas 15,29: mit den Freun­den fröh­lich sein
  • Apos­tel­ge­schich­te 10,24: sich tref­fen, um das Wort Got­tes zu hören
  • Apos­tel­ge­schich­te 19,31: den Freund vor Ge­fah­ren zurückhalten
  • Apos­tel­ge­schich­te 27,3: dem Freund Für­sor­ge zeigen

 

GE­BET

Gott, zu dir rufe ich.
Samm­le mei­ne Ge­dan­ken, hilf mir zu beten;
ich kann es nicht allein.
In mir ist es fins­ter, aber bei dir ist das Licht;
ich bin ein­sam, aber du ver­lässt mich nicht;
ich bin klein­mü­tig, aber bei dir ist die Hilfe;
ich bin un­ru­hig, aber bei dir ist Friede;
in mir ist Bit­ter­keit, aber bei dir ist die Geduld;
ich ver­ste­he dei­ne Wege nicht,
aber du weißt den Weg für mich.
Dir sei Ehre in Ewigkeit.

 

Diet­rich Bonhoeffer