Wein doch ein bisschen

Wein doch ein bisschen

Das Le­ben ist ein stän­di­ges Ab­schied­neh­men: wir müs­sen Ab­schied neh­men von un­se­rer Kind­heit, von man­chen Wün­schen und Hoff­nun­gen, von un­se­rer Ar­beit, von Freund­schaf­ten und lieb­ge­won­ne­nen Men­schen. Täg­lich ver­ab­schie­den wir uns oft auch un­be­wusst. Je­der Ab­schied an der Haus­tür lässt ei­nen un­wie­der­bring­li­chen Nach­mit­tag oder ge­mein­sa­men Abend hin­ter sich. Ei­nen Ab­schied kön­nen wir po­si­tiv oder ne­ga­tiv er­le­ben – je nach­dem, was er für uns be­deu­tet. Man­che Men­schen ver­knüp­fen mit dem Ab­schied ei­nen Neu­an­fang, Aben­teu­er und die Hoff­nung auf Ver­bes­se­rung der ei­ge­nen Si­tua­ti­on. Sie sind ge­spannt, freu­dig er­regt, hoff­nungs­voll und vol­ler Ta­ten­drang. 

An­de­re se­hen im Ab­schied ei­nen Ver­lust, Hoff­nungs­lo­sig­keit, eine Ver­schlech­te­rung der Si­tua­ti­on. Sie sind ver­zwei­felt, mut­los, ohne Kraft, vol­ler Angst. 

In Wirk­lich­keit fin­den wir in ei­nem Ab­schied im­mer bei­des. Je­der Ab­schied be­inhal­tet eine Ver­än­de­rung. Et­was geht zu Ende und et­was Neu­es tritt an sei­ne Stel­le. Manch­mal kön­nen wir das Neue nicht se­hen, da wir noch zu sehr auf den Ver­lust kon­zen­triert sind und mit dem Schick­sal ha­dern. 

Wenn ein na­her An­ge­hö­ri­ger ge­stor­ben ist oder un­ser Part­ner uns ver­las­sen hat, dann spü­ren wir erst ein­mal nur den Schmerz und se­hen nur, was wir ver­lo­ren ha­ben. Wir be­nö­ti­gen dann Zeit, uns auf die neue Si­tua­ti­on ein­zu­stel­len, den Part­ner und die mit ihm ver­knüpf­ten Hoff­nun­gen und Wün­sche los­zu­las­sen und un­se­ren Blick auf die Zu­kunft zu rich­ten. Da­mit be­deu­tet Ab­schied neh­men im­mer Ver­gan­gen­heit und Zu­kunft. 

Der be­wuss­te Um­gang mit Emo­tio­nen und kör­per­li­chen Re­ak­tio­nen in der Zeit des Ab­schieds ist hilf­reich, Ab­schie­de auch als An­fang wahr­zu­neh­men und zu le­ben. 

Es geht um die Kunst, Ab­schied zu neh­men, Ab­schie­de zu ge­stal­ten, um Ab­schieds­ri­tua­le. Es geht um den Um­gang mit Ver­lus­ten und den da­mit ver­bun­de­nen Emo­tio­nen, um Trau­er so­wie den Um­gang mit dem Be­dürf­nis nach Nähe aber auch Di­stanz.  

 

Ab­schied braucht…

 

Emo­tio­na­le Un­ter­stüt­zung 

  • Ver­mitt­lung von Ver­ständ­nis, Zu­wen­dung und Ein­füh­lung 
  • Ge­füh­le aus­hal­ten und nicht über sie hin­weg­trös­ten 
  • Er­ken­nen und ak­zep­tie­ren, dass Angst, Trau­er, Är­ger nor­ma­le Re­ak­tio­nen & Be­wäl­ti­gungs­pro­zes­se sind
  • Sich nicht von je­man­den zu­rück­zie­hen 

 

Mög­lich­kei­ten zum Ge­spräch 

  • Schwie­ri­gen und be­droh­li­chen Fra­gen nicht aus­wei­chen 
  • Ab­war­ten­de zu­hö­ren­de Haltung
  • Mög­lich­keit ge­ben, alle Ge­füh­le aus­zu­drü­cken 

 

Eine ver­trau­ens­vol­le Be­zie­hung 

  • Sich klar ma­chen, dass wir an­de­ren Men­schen, den Schmerz des Ab­schieds nicht „er­spa­ren“ kön­nen  
  • an der Sei­te des Men­schen „aus­hal­ten“ kön­nen – nicht al­lei­ne lassen
  • Ach­tung und Re­spekt entgegenbringen
  • Echt­heit im Ge­spräch 

   

Ver­mitt­lung von An­satz­punk­ten von Hoff­nung 

  • Zu­sa­gen, dass man sich bis zu­letzt um je­mand küm­mern will, ihn nicht al­lei­ne lässt
  • Im­mer wie­der deut­lich ma­chen, dass man sei­ne Per­son ach­tet und würdigt
  • Das Ge­fühl ver­mit­teln, dass er/sie nach wie vor in eine Ge­mein­schaft ein­be­zo­gen ist 

 

Ein Ri­tu­al un­ter­stützt Ab­schie­de zu ge­stal­ten.  

Hier­bei ist zu be­ach­ten, dass es ei­nen per­sön­li­chen Be­zug und eine Ak­zep­tanz des an­ge­wen­de­ten Ri­tu­als gibt. Ri­tua­le sind kul­tu­rell und ge­sell­schaft­lich über Jah­re ge­wach­sen und wur­den über Ge­ne­ra­tio­nen wei­ter­ge­ge­ben. Ri­tua­le un­ter­schei­den sich von Bräu­chen und blo­ßen Ge­wohn­hei­ten durch die Ver­wen­dung von Sym­bo­len. 

 

Die Aspek­te ei­nes Ri­tua­les sind: 

  • Die Wie­der­ho­lung von Hand­lun­gen – gibt Si­cher­heit 
  • Das Tun – kon­kre­tes Tun – ak­tiv sein 
  • Das be­son­de­re Ver­hal­ten (Hal­tung, Ge­sang,…) 
  • Die Ord­nung – Kla­rer An­fang und kla­res Ende 
  • Die Sinn­haf­tig­keit – Er­leich­te­rung von schwe­ren Emo­tio­nen,… 
  • Kol­lek­ti­ve Di­men­si­on – Regt zum Mit­ma­chen, Da­bei­sein ein 

 

Die Stu­fen ei­nes Ri­tua­les sind: 

  1. Tren­nungs­pha­se – Vom All­täg­li­chen ins be­son­de­re Tun
  2. Schwel­len- oder Über­gangs­pha­se – Teil­nah­me am Ri­tu­al – Neue Rolle
  3. Wie­der­ho­lungs­pha­se – Kol­lek­ti­ve Be­deu­tung durch die Re­inte­gra­ti­on 

  

Je­dem Le­bens- und Al­ters­pes­si­mis­mus setzt der christ­li­che Glau­be die Hoff­nung auf Er­lö­sung und ewi­ges Le­ben ent­ge­gen. Hoff­nung ist – wie es Franz-Jo­sef No­cke aus­drückt – „der Zu­kunfts­aspekt des Glau­bens: das Ver­trau­en dar­auf, dass mir eine gute Zu­kunft ge­schenkt wird.“ Die­se Hoff­nungs­per­spek­ti­ve zeich­net den christ­li­chen Glau­ben aus, sie gilt es im­mer wie­der ins Be­wusst­sein zu rü­cken und ihre le­bens­prak­ti­sche Re­le­vanz ist aus­zu­lo­ten. 

Eine Ein­stel­lung und Hal­tung, die es in die­sem The­men­kom­plex braucht, kann man mit dem Phi­lo­so­phen Wil­helm Wei­sche­del, der Psy­cho­ana­ly­ti­ke­rin Ve­re­na Kast und an­de­ren als „ab­schied­lich le­ben“ be­zeich­nen. Wer „ab­schied­lich lebt“, dem ist be­wusst, dass das gan­ze Le­ben von vie­len klei­ne­ren und grö­ße­ren Ab­schie­den durch­drun­gen ist. Wird man sich des­sen be­wusst, ge­winnt man Frei­heit und Sou­ve­rä­ni­tät für die Aus­ge­stal­tung des Le­bens, ja man be­ginnt „end­lich zu le­ben“. Das er­höht die Dank­bar­keit für je­den ein­zel­nen Tag mit sei­nen Mög­lich­kei­ten. 

 

GE­BET 

Ge­seg­net seist du, da­mit dich die Fra­gen ohne Ant­wort nicht zer­rei­ben. 
Gott schen­ke dir Men­schen, die dir ge­dul­dig zu­hö­ren. 
Ge­seg­net seist du, da­mit du ein­sa­me und schwe­re Stun­den über­stehst. 
Gott stel­le Men­schen an dei­ne Sei­te, die dich ver­ste­hen und dich nicht ver­las­sen. 
Ge­seg­net seist du, da­mit du dei­ne lie­ben Ver­stor­be­nen zie­hen las­sen kannst. 
Gott schen­ke dir Glau­ben, dass sie in Sei­ner Hand ge­bor­gen sind. 
Gott schen­ke dir die Kraft dank­ba­rer Er­in­ne­rung. 
Ge­seg­net seist du vom Gott des Er­bar­mens und Tros­tes, der mit dir geht und dei­ne Schrit­te lei­tet. Amen.