„Was für Gedanken habt ihr im Herzen?“ Im Herzen, das meint, eben dort, wo unsere Mitte ist, dort wo erkennen und Handlung entstehen. Wo das Denken in die Handlung fließt. Diese Gedanken und Urteile blockieren oder motivieren, schaffen Raum oder Enge. Gedanken sind keine Fliegengewichte!
Die Frage Jesu zielt nicht darauf, dass wir keine Gedanken oder Meinungen haben dürfen. Doch welcher Art sind sie? Wozu führen sie? Unsere Gedanken sind eine große Herausforderung. Sie sind die Brillengläser, durch die wir uns und unsere Umwelt anschauen.
Im Jüdischen Talmud gibt es eine Kurzweisheit:
„Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“
Am Anfang, als Quelle, die alles bestimmt, stehen meine Gedanken. Sie ergreifen nach und nach alle Bereiche meines Lebens. Das kann mich zum ewigen Nörgler, Pessimisten, Frustrierten und Zitronenbeißer machen oder zu einem Menschen der Weitherzigkeit, der Hoffnung, der Friedfertigkeit, des Humors. Was aus meinem Leben wird, beginnt nicht bei den Handlungen, sondern bei meinen Gedanken, die ich im Herzen trage.
Aber, als ob wir unser Denken und Urteilen so einfach im Griff hätten, oder in den Griff bekommen könnten? Meistens vermischt sich in unserem Herzen doch so einiges an Gefühlen und Gedanken. Auch Jesus weiß in den Evangelien sehr wohl um die Abgründigkeit unseres Herzens. Im Johannesevangelium heißt es schlicht: „Er wusste, was im Menschen war…“ (Joh 2, 25) und im Markusevangelium heißt es sehr nüchtern: Nicht was von außen in den Menschen kommt, macht ihn unrein, sondern, „was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken“ (Mk 7,20–23a) und dann die Taten wie Mord, Habgier, Bosheit und Neid.
Wer nur ein wenig realistisch auf sich selber schaut, der weiß, das ist alles in mir! Es steigt manchmal einfach so in mir auf und wir wissen nicht einmal, warum wir solche Gedanken haben. Und manchmal erfordert es auch eine klare Entscheidung gewissen Gedankenmonstern im Kopf nicht weiter nachzujagen.
Einiges kann man durch Klugheit verhindern und doch stehen wir nicht selten vor einem Dilemma: Wir wissen, wie viel unser tägliches Denken und Urteilen unser Leben bestimmt und prägt und gleichzeitig wissen wir, wie schwer es ist, unserem Herzen beizukommen.
Der große englische Kardinal Newman schrieb: „Nur Göttliches kann das Herz erneuern.“ Gott selbst muss uns das richtige Denken über die Welt und den Menschen ins Herz legen. Gott selbst muss sich uns ins Herz legen.
GOTTES HERZENSGEDANKE
Auch Gott trägt Gedanken in seinem Herzen. Gottes Grundgedanke ist das Ja! Das ist sein Herzensgedanke: Das Ja zur Welt. Das Ja zum Menschen. Das Ja zu mir in allen Lebenslagen. Das Ja zu mir in allem und trotz allem.
Was Gott für Gedanken im Herzen trägt, das ist in Jesus sichtbar, greifbar und spürbar geworden: „Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat.“ Das soll auch unser Herz prägen.
Jesus weiß, zu welcher Größe und zu welcher Abgründigkeit wir in der Lage sind.
Es ist keine Nebensächlichkeit wenn das Mk-Evangelium schreibt: „Erneuert euer Denken und glaubt an die frohe Botschaft.“ (Mk 1,15) Am Anfang unseres christlichen Lebens steht ein neues Denken. Christliche Umkehr bedeutet neu, anders über mich, die Schöpfung, den Mitmenschen und das Leben zu Denken. Das Ja zum Leben jeden Tag an den Anfang aller Gedanken zu stellen, ist eine Denkrevolution und Herzerweitung. Vielleicht ist das Ja die kürzestes Form des Gebetes.
HERZENSBILDUNG
Wie aber wächst und bildet sich das Herz am Sichersten? Wir haben aber nicht einfach ein Herz, nein, wir müssen uns ein Herz nehmen und zwar für den Anderen. Dann wächst unser Herz.
Unser Herz muss nicht rein und gut sein, sondern unser Herz wird rein, und es lernt die Güte durch unsere Taten der Güte. Es gibt einen Mut zur Halbheit, der an unserer Ganzheit arbeitet. Der Mut zu halbreinen Taten, baut an unserer Reinheit. Der Lehrer, der ein Kind tröstet, das nicht seines ist, schaut vielleicht heimlich auf die Uhr und überlegt, wie viel Zeit ihn das kostet. Das Herz jedoch beginnt zu wachsen. Man kann Gutes tun und darüber gütig werden.
Obwohl wir ein Herz haben, müssen wir uns immer wieder ein Herz nehmen – gerade auch da, wo wir es noch nicht haben, damit wir immer mehr Menschen mit Herz werden.
Mein Schritt für morgen? Nehmen Sie sich Ihre Gedanken zur Hand und überlegen Sie einen Moment, wie Sie Ihnen neue Weite geben können. Wo können Sie morgen und in den nächsten Tagen sich ein Herz fassen.
GEBET