»Dann formte Gott, der Herr, eine Frau aus der Rippe, die er Adam entnommen hatte« (1. Mose 2,22). So berichtet der Erzähler über die Entstehungsgeschichte der Menschheit. Für Generationen von Bibelauslegern galt Eva als das Anhängsel des Mannes, ein Mensch zweiter Klasse. Wenn man so denkt, dann müssten die Tiere ranghöher sein als der Mann. Da sich Gott jedoch in seiner Schöpfungskunst steigerte, müsste demnach die Frau die Krone der Schöpfung sein.
Eva wurde als gleichrangige Ergänzung für Adam geschaffen. Im hebräischen Originaltext steht »eser kenegdo«, das übersetzt werden kann mit »eine Helferin, die ihm entspricht«. Die Wurzel dieses Wortes wird im Alten Testament aber vor allem dann benutzt, wenn Gott als Helfer gemeint ist. Und Gott als Helfer hat in unserer Vorstellung keinesfalls eine untergeordnete Position.
Die andere, ältere Schöpfungsgeschichte erzählt die Erschaffung des Menschen folgendermaßen: »So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er sie, als Mann und Frau.«(1. Mose 1, 27). Beide zusammen ergeben also ein Abbild Gottes. Gott ist nicht nur männlich, sondern auch weiblich. Man kann den Schöpfer des Universums nicht auf einen Mann oder eine Frau reduzieren. Die Bibel vermittelt Gott als einen Gott, der das Weibliche und das Männliche in sich vereint.
Mann und Frau sind unterschiedlich. Aber worin die Unterschiede bestehen, steht nirgendwo. Sie wurden erst später Frauen und Männern zugeschrieben und daraus Geschlechterrollen abgeleitet. Im Schöpfungsplan war kein Herrschaftsanspruch vorgesehen.
Gleiche Verantwortung für Mann und Frau: Dass Gott die Menschen als gleichberechtigt schuf, zeigt sich an vielen Stellen. In der ersten Schöpfungsgeschichte sagt Gott: »Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie euch untertan.« Hier steht nichts davon, dass Adam sich Eva untertan machen soll. Den Auftrag, über die Erde zu herrschen, und nicht übereinander, bekamen beide! Und auch den Auftrag, die Erde zu füllen. Zur Vermehrung der bis dahin spärlichen Bevölkerung war der Einsatz von beiden – von Mann und Frau gleichermaßen – notwendig.
Das schließlich der Mann versuchen wird über die Frau zu herrschen etikettiert die Bibel klar als Folge des Sündenfalls: Ich verhänge über dich, dass du Mühsal und Beschwerden hast, jedes Mal wenn du schwanger bist; und unter Schmerzen bringst du Kinder zur Welt. Es wird dich zu deinem Mann hinziehen, aber er wird über dich herrschen“ (Genesis 3,16) Solch ein Umgang der Geschlechter miteinander entspricht also gerade nicht dem Willen Gottes, sondern ist ein Ausdruck der gestörten Ordnung ihres Miteinanders.
Gleichberechtigung im AT
Wir wissen nicht, wer die ersten Frauenrechtlerinnen waren, aber eine sehr frühe Quelle findet sich im Alten Testament. Ausgerechnet dort, wo man rebellische Frauen am wenigsten vermutet: Die ersten »Emanzen« waren die Töchter von Zelofhad (4. Mose 27, 1–11). Er hatte keinen Sohn, dafür aber fünf ziemlich eigenwillige Töchter. Als Zelofhad starb, erbten seine Brüder den ganzen Besitz. Das war so üblich. Die Töchter gingen leer aus, denn erbberechtigt waren nur Männer. Die Schwestern hatten zwar kein juristisches Staatsexamen, aber genügend Selbstbewusstsein, um die Gesetzeslage zu hinterfragen. Sie gingen gleich zum obersten Chef, um sich über die Erbregelung zu beschweren – und das in aller Öffentlichkeit. Nicht nur Mose war da, sondern auch der Priester Eleasar und die Stammesfürsten, also alles, was Rang und Namen hatte, und auch noch die ganze Gemeinde. Ein mutiger Auftritt!
Mose hörte den Frauen aufmerksam zu und nahm ihren Protest ernst. Das, was Moses Handeln leitete, war, den Willen Gottes zu tun. In der Bibel steht, dass er die Sache vor Gott brachte und ihn um eine Entscheidung bat. Und er hörte die Antwort von Gott: »Die Töchter haben recht. Sie sollen wie die Brüder ihres Vaters erbberechtigt sein.« Dabei beließ es Gott aber nicht. Er ordnet gleich eine Gesetzesnovellierung an. Gott gab also nicht nur den fünf Schwestern Recht, sondern er verschaffte allen Frauen das Recht. So schnell kamen die späteren Frauenrechtlerinnen nicht zum Ziel.
Gleichberechtigung im NT
Mit Jesus sollte die ursprüngliche Schöpfungsordnung wiederhergestellt werden. Er behandelte Frauen gleichberechtigt und gab ihnen ihren ursprünglichen Wert zurück. Der ungezwungene Umgang von Jesus mit Frauen war etwas völlig Neues. Sie gehörten genauso zu seiner Gefolgschaft wie Männer. Er lehrte sie nicht nur, sondern wies ihnen oftmals eine Schlüsselrolle zu. Sie hatten einen aktiven Part bei der Verbreitung seiner Botschaft.
- Die Samariterin am Brunnen: Im Gespräch mit der ausgegrenzten Frau vertraute Jesus ihr das an, was er bisher noch niemandem gesagt hatte, nämlich, dass er der Messias ist.
- Rechtlose Frauen als Zeuginnen: Gott gab Frauen Schlüsselpositionen, um seine Botschaft in die Welt hinauszutragen, so auch bei der Auferstehung. Die Evangelisten erzählen die Auferstehungsgeschichte etwas unterschiedlich, doch in allen Berichten sind es Frauen, die zuerst von der Auferstehung Jesus erfahren.
Paulus proklamierte absolute Gleichwertigkeit für alle: »Nun gibt es nicht mehr Juden oder Nichtjuden, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen. Denn ihr seid alle gleich – ihr seid eins in Jesus Christus« (Gal 3,28)
- Phöbe war Diakonin. Sie war es, die im Jahr 55 n.Chr. den Brief von Paulus an die Gemeinde von Rom überbrachte. Das war nicht nur gefährlich, sondern beinhaltete auch, dass die Überbringerin der Gemeinde den Inhalt erklärte. Paulus vertraute Phöbe also völlig, dass sie alles in seinem Sinne weitervermitteln würde, und hatte den Text vermutlich vorher mit ihr durchgesprochen. Damit hatte Phöbe eine zentrale Bedeutung bei der Ausbreitung des Evangeliums.
- Priska und Aquila – Paulus‹ beste Freunde: Paulus arbeitete von Anfang an mit Frauen genauso zusammen wie mit Männern. Auch zwischen dem Ehepaar Priska und Aquila machte er keinen Unterschied. Er debattierte nicht mit Aquila über theologische Fragen, während Priska Tee und Gebäck reichte. Paulus stellt ihre Bedeutung in seinen Briefen heraus, indem er sie als Erste nennt, noch vor ihrem Mann. Zudem lehrte Priska auf akademischen Niveau Theologie und unterwies Männer. Einer ihrer Schüler war Apollos, ein hochgebildeter und redegewandter Jude, Hochschulabsolvent einer der bedeutendsten Universitätsstädte, Alexandrien in Ägypten.
GEBET
Guter Vater:
Wo Unwissenheit, Selbstliebe und Unverständnis das Leben in der Gemeinschaft zerbrochen haben, sende dein Licht, Gott der Liebe.
Wo Ungerechtigkeit und Unterdrückung den Lebenswillen der Völker zerbrochen haben, sende dein Licht, Gott der Befreiung.
Wo Hunger und Armut, Krankheit und Tod das Leben zu einer unerträglichen Last gemacht haben, sende dein Licht, Gott der Gnade.
Wo Misstrauen und Hass, Streit und Krieg deine Güte zunichte gemacht haben, sende dein Licht, Gott des Friedens.
Amen.