Un­ge­lös­te Probleme

Ich lie­be die Klar­heit und Ver­läss­lich­keit mei­nes All­tags und tau­chen Pro­ble­me auf, schaf­fe ich sie ger­ne di­rekt aus der Welt, um zu den ver­trau­ten We­gen zurückzukehren.

Das Pro­blem am Pro­blem ist al­ler­dings, dass es hin und wie­der Si­tua­tio­nen gibt, in de­nen sie schlicht und er­grei­fend kei­ne Lö­sung an­bie­tet. Es gibt sie, die­se Mo­men­te, in de­nen ich mit ei­nem Pro­blem kon­fron­tiert wer­de, das sich eben nicht aus der Welt schaf­fen lässt und, wo sich auf lan­ge Sicht noch kei­ne wirk­li­che Lö­sung ab­zeich­net. Die Fra­ge ist: Wie händ­le ich die­se Momente?

 

Un­ge­lös­te Pro­ble­me set­zen un­glaub­lich un­ter Druck, weil sie mir das Ge­fühl ver­mit­teln, dass ich eine Si­tua­ti­on ab­so­lut nicht im Griff habe und sie sich mei­ner Kon­trol­le ent­zieht. Der dar­aus re­sul­tie­ren­de Hand­lungs­druck er­höht sich na­tür­lich um so mehr, wenn Leu­te von au­ßen an mich her­an­tre­ten und mei­ne Kom­pe­tenz in Fra­ge stel­len: War­um ist das noch nicht ge­löst? War­um ist das noch nicht ge­re­gelt? Die­se Si­tua­ti­on ist doch ein­fach kein Zu­stand! Das setzt mich ei­ner Un­si­cher­heit aus, die ich ab­so­lut nicht mag; denn ich ste­he auf Ge­re­gelt­heit, Si­cher­heit und Kon­trol­le. Den­noch muss sich mit die­sen Si­tua­tio­nen klar­kom­men und mit ih­nen umgehen.

Das Ers­te, was sich da emp­fiehlt, ist das schlich­te Be­ja­hen die­ser Si­tua­ti­on und sich nicht mehr ge­gen sie zu sträu­ben. Un­ser Ge­hirn nimmt ein un­ge­lös­tes Pro­blem schnell ein­mal als eine be­droh­li­che Ge­fahr wahr. Wenn uns das nicht ein Schnipp­chen schla­gen soll in un­se­ren Mus­tern und Ver­hal­tens­wei­sen, dann müs­sen wir uns die­ser Si­tua­ti­on in al­ler Klar­heit stellen.

Eine Fra­ge, die mir da­bei un­glaub­lich hilft: Was könn­te denn schlimms­ten­falls pas­sie­ren? Wäh­rend mein Ge­hirn ein un­ge­lös­tes Pro­blem als ab­so­lu­te exis­ten­zi­el­le Ge­fahr wahr­nimmt, soll­te ich mich wirk­lich ein­mal rea­lis­tisch fra­gen: Ist dem denn so? Was könn­te denn schlimms­ten­falls pas­sie­ren? Ist es denn wirk­lich so, dass die­se Si­tua­ti­on mein Le­ben und mei­ne Exis­tenz be­droht? Oder ist es manch­mal nicht eher so, dass ich das Ge­fühl habe, mich zu bla­mie­ren und dass mei­ne Schwach­heit of­fen­bar wird? Die Fra­ge, die da­hin­ter lau­ert: Und, was wäre denn so schlimm dar­an? Mit die­ser Fra­ge re­la­ti­viert sich das un­ge­lös­te Pro­blem auf ein Le­vel her­ab, des­sen es wirk­lich bedarf.

Als Zwei­tes emp­fiehlt es sich, aus dem schwarz-weiß Den­ken aus­zu­stei­gen. Wann im­mer mich die­ses Mus­ter im Griff hat, möch­te ich Si­tua­tio­nen un­ge­lös­ter Pro­ble­me so­fort be­wer­ten, klas­si­fi­zie­ren und ein­ord­nen. Dann nei­ge ich dazu, So­fort­lö­sun­gen ha­ben zu wol­len, um sie als Pflas­ter auf den Mo­ment zu kle­ben. Die Wege, die ich dann al­ler­dings wäh­le, er­wei­sen sich am Ende sel­ten als die wirk­lich an­ge­mes­sen und be­währ­ten. Des­we­gen emp­fiehlt sich, ein schwarz-weiß Den­ken bei­sei­te­zu­le­gen, um sich mit Grau­zo­nen zu ar­ran­gie­ren. Denn die Wahr­heit in un­se­rem Le­ben liegt wie im­mer meist da­zwi­schen. Das ist nicht schön. Das ist auch nicht im­mer an­ge­nehm. Aber, wenn ich Ge­duld auf­brin­ge, zei­gen sich neue Wege, neue Per­spek­ti­ven und neue Lö­sungs­an­sät­ze, die mir bei ei­ner ad hoc Über­le­gung bei wei­tem nicht in den Sinn ge­kom­men wären.

Der drit­te Punkt be­trifft für mich das Ver­trau­en. Da­mit mei­ne ich al­ler­dings nicht die­se plat­te und still­schwei­gen­de An­nah­me, dass ir­gend­wann schon mal al­les wie­der gut wer­den wird. Nein, da­mit mei­ne ich das be­wuss­te set­zen auf Got­tes Ge­gen­wart in mei­nem Le­ben. Ein Gott, der mit zwar nie ver­spro­chen hat, dass er mir das Le­ben ab­nimmt und mir die Pro­ble­me vom Leib hält; aber ein Gott, der mir zu­ge­sagt hat, dass er mit sei­ner Weis­heit, sei­ner Ge­gen­wart, sei­ner kraft und sei­nem Mut in mei­nem Le­ben prä­sent sein will. Das ist das, was wir Chris­ten als Lang­mut be­zeich­nen, als Fä­hig­keit zu Ge­duld und zum Aus­hal­ten – mit sei­ner Ge­gen­wart in mei­nem Leben.

Neu­deutsch wür­de man das Gan­ze eher als Re­si­li­enz be­zeich­nen. Die­se Fä­hig­keit muss ich al­ler­dings nicht aus mir her­aus pro­du­zie­ren, son­dern um die­se Fä­hig­keit darf ich bit­ten. Da­nach darf ich Gott fra­gen, dass er mir die Ge­duld und die Kraft gibt, die­se Mo­men­te aus­zu­hal­ten im Ver­trau­en dar­auf, dass eine Lö­sung kom­men wird.

All die­se Punk­te sor­gen na­tür­lich nicht da­für, dass sich das Pro­blem auf­löst. Nein, das bleibt wei­ter­hin be­stehen und da­mit blei­be ich wei­ter­hin kon­fron­tiert. Aber die­se Punk­te kön­nen mir da­bei hel­fen, nicht vor­schnell zu Lö­sun­gen zu grei­fen, die sich als voll­kom­men un­an­ge­mes­sen und un­pro­duk­ti­ve er­wei­sen. Es geht dar­um, mit ei­ner Si­tua­ti­on um­ge­hen zu ler­nen, die be­stehen bleibt und auf Lö­sun­gen zu war­ten, die sich dann auf­tun wer­den, wenn sie dran sind und bis da­hin we­der die Ge­duld, noch die Zu­ver­sicht in die­ses Le­ben zu verlieren.