Träu­me

„Ohne Vi­sio­nen ver­wil­dert das Volk.“ Die­se Über­zeu­gung bringt die Bi­bel im Buch der Sprich­wör­ter zum Aus­druck und möch­te dar­auf hin­wei­sen, dass der Mensch für mehr ge­schaf­fen ist als die stump­fe All­täg­lich­keit. Wir brau­chen Träu­me und Vi­sio­nen, da­mit wir nicht voll­kom­men aus dem Blick ver­lie­ren, wor­auf es in die­sem Le­ben ei­gent­lich an­kommt, was die­sem Le­ben Sinn, Ge­nuss und Tie­fe ver­leiht. Den­noch tun wir uns ge­ra­de mit Träu­men und Vi­sio­nen hin und wie­der un­glaub­lich schwer.

Man­che Men­schen sind so sehr von der Macht des Fak­ti­schen ge­bannt und in An­spruch ge­nom­men, dass sie schon gar kei­ne Träu­me und Vi­sio­nen mehr ent­wi­ckeln kön­nen oder mö­gen. Das ist umso trau­ri­ger, weil wir dazu ein­mal in der Lage wa­ren. Kein Kind muss man fra­gen: „Und, was möch­test du ein­mal wer­den?“ Von der Po­li­zei über die Müll­ab­fuhr, den Eis­ver­kauf bis hin zum Welt­herr­scher­tum ist für Kin­der al­les glei­cher­ma­ßen at­trak­tiv und in­ter­es­sant, je nach­dem wel­ches Kin­der­buch ge­ra­de ge­wälzt wur­de, oder wel­cher Film im Fern­se­hen lief.
Kein Kind wür­de sa­gen: „Ach Papa, weißt du… Ich wer­de ein­mal das, wo­mit man zu­min­dest so viel Geld ver­dient, dass man da­von zwei­mal im Jahr in den Ur­laub fah­ren kann und sich am Wo­chen­en­de hin und wie­der et­was gön­nen mag. Da­mit man we­nigs­tens in den Mo­men­ten spürt, wie das Le­ben ei­gent­lich sein soll­te.“ Nein, kein Kind wür­de solch eine Ant­wort ge­ben. Das Schlim­me ist doch, dass so man­cher Er­wach­se­ne ge­nau an die­sen Punkt kommt. Und man möch­te sie schüt­teln die­se Er­wach­se­nen und ih­nen sa­gen: „Tut doch mal so… Tut doch we­nigs­tens mal so, als hät­tet ihr nur die­ses eine Le­ben und als wäre eure Le­bens­zeit wirk­lich be­grenzt. Und tik tak, tik tak, tik tak mit je­dem Tag wird sie et­was we­ni­ger. Des­halb ha­ben dei­ne Ent­schei­dun­gen Ge­wicht und Be­deu­tung. Des­we­gen soll­test du dir dei­ne Träu­me und Vi­sio­nen nicht neh­men las­sen, da­mit du am Ende wirk­lich für das un­ter­wegs ge­we­sen bist, was dei­nem Traum von Le­ben, dei­ner Vi­si­on von dei­nen Mög­lich­kei­ten und Po­ten­tia­len wirk­lich ent­spro­chen hat.“
Manch­mal kommt dann ins Spiel, dass Men­schen sa­gen: „Ich wür­de ja ger­ne träu­men von ei­nem Le­ben. Ich wür­de ger­ne Vi­si­on ent­wi­ckeln, aber ich bin ein­fach zu… .“ Hier kann man all das ein­set­zen, was wir als Ma­kel, Pro­blem oder Schwä­che der ei­ge­nen Per­son emp­fin­den.  Ich bin zu klein, ich bin zu schwach, ich bin zu un­si­cher, ich bin zu we­nig ge­liebt, mir ist zu we­nig der Rü­cken ge­stärkt wor­den in mei­nem Leben.
An den Punk­ten ver­wei­se ich ger­ne auf Pau­lus. Er spricht vom Sta­chel im Fleisch, der ihn um­ge­trie­ben, aber auch ge­hin­dert hat. Mit die­sem Sta­chel im Fleisch geht Pau­lus zu Gott und sagt: „Hör mal Gott, ich möch­te das ger­ne los­wer­den.“ Wenn Pau­lus an­fängt zu be­ten, dann geht er nicht ir­gend­wo hin, zün­det eine Ker­ze an und hofft, dass sich das Gan­ze von al­lein ir­gend­wie er­le­digt; son­dern Pau­lus geht in die Aus­ein­an­der­set­zung mit Gott und er be­kommt eine Ant­wort. Pau­lus be­kommt zu hö­ren: „Mei­ne Gna­de ge­nügt dir.“ Pau­lus denkt sich, dan­ke für‘s Ge­spräch. Da­mit will er es al­ler­ding nicht ru­hen las­sen. Pau­lus geht wie­der in die Aus­ein­an­der­set­zung, macht Vor­schlä­ge, um wie viel bes­ser er doch pre­di­gen, mis­sio­nie­ren und un­ter­wegs sein könn­te für das Reich Got­tes, wenn ihm die­ser Ma­kel end­lich ge­nom­men wür­de. Gott lässt sich manch­mal auf un­se­re Dis­kus­sio­nen ein. Er ant­wor­tet Pau­lus: „Mei­ne Gna­de ge­nügt dir, denn in dei­ner Schwach­heit, er­weist sie ihre Kraft.“ Das ist Got­tes An­sa­ge. Ich kann mei­ne Pro­ble­me me­di­tie­ren bis zum Er­bre­chen, nur um fest­zu­stel­len: Es än­dert sich nichts. Oder ich kann dem Glau­ben Ge­wicht ge­ben, dass mei­ne Pro­ble­me für Gott kei­ne Pro­ble­me sind. Dass mei­ne Pro­ble­me für Gott kein Hin­der­nis sind, um wirk­lich Gro­ßes zu be­werk­stel­li­gen und zu er­mög­li­chen. Bei Pau­lus ist nun wirk­lich viel Gro­ßes mög­lich ge­wor­den im Leben.
Was als Drit­tes ger­ne ins Spiel ge­bracht wird, ist die vor­ge­tra­ge­ne Über­zeu­gung: „Ei­gent­lich möch­te ich gar nicht groß träu­men, weil mir die zwei­te Rei­he im Le­ben voll­kom­men reicht. Ich ste­he lie­ber mehr im Hin­ter­grund.“ Die­se De­mut ist we­nig bi­blisch. Denn Je­sus hat nie ge­sagt: „Wer von euch groß sein will, den kann ich nicht brau­chen. Und wer der Ers­te von al­len sein will, der bleibt lie­ber Zu­hau­se.“ Nein. Jesu An­sa­ge war, wer von euch groß und der ers­te von al­len sein will, dem wer­de ich zei­gen, was wah­re Grö­ße wirk­lich be­deu­tet. Und der­je­ni­ge, der sei­ne Ta­len­te ver­gräbt und nicht mit ih­nen wirt­schaf­tet, – auch dar­über gibt es eine er­hel­len­de Stel­le in der Bi­bel – der er­hält von Gott am Ende kei­nen Bei­fall. Wir sind dazu ge­macht, mit dem, was in uns an­ge­legt ist, groß zu träu­men, gro­ße Vi­sio­nen zu ent­wi­ckeln und vor al­lem, groß­ar­tig zu leben!