Eines der Urbedürfnisse des menschlichen Herzens ist das Verlangen nach Anerkennung. Jeder Mensch möchte geschätzt sein. Jeder Mensch verlangt danach, bejaht zu werden, so wie er ist. Nichts im menschlichen Leben hat eine solch bleibende und verhängnisvolle Wirkung wie die Erfahrung, nicht voll angenommen zu sein.
Werde ich nicht bejaht, zerbricht etwas in mir. Ein unerwünschtes Kind ist in der Wurzel seines Seins geschädigt. Ein Schüler, der sich von seinem Lehrer nicht angenommen weiß, kann nicht lernen. Ein Mann, der sich in seinem Beruf von seinen Kollegen nicht angenommen fühlt, entwickelt Magengeschwüre und ist zu Hause ungenießbar. Die Lebensgeschichte manch eines Inhaftierten zeigt, dass, er an irgendeinem Punkt seines Lebens in die Irre ging, weil niemand da war, der ihn wirklich bejahte. In einem Leben ohne Bejahung bleibt ein fundamentales menschliches Bedürfnis unerfüllt.
Angenommen sein heißt: Die Menschen, mit denen ich lebe, geben mir das Gefühl der Selbstachtung, sie lassen mich spüren, dass ich einen Wert in mir selbst habe. Sie freuen sich, dass ich ich selbst bin. Annahme heißt, dass ich ich selbst sein darf. Annahme heißt, dass mir Raum gegeben wird, zu wachsen, ohne etwas zu forcieren und ohne Gewalt.
Das bedeutet auch, dass ich nicht zum Gefangenen meiner Vergangenheit oder Gegenwart gemacht werde. Vielmehr wird mir die Gelegenheit gegeben, mich zu entfalten und über die Fehler der Vergangenheit hinaus zu wachsen. Jeder von uns wird mit mannigfaltigen Möglichkeiten geboren. Werden sie aber nicht durch die warme Annahme eines anderen frei gesetzt, so können sie sich nicht verwirklichen. Annahme befreit alles, was in mir ist.
Die Liebe, die Bejahung durch andere, macht mich zu einer unverwechselbaren Person. Erhält ein Mensch Anerkennung für das, was er tut, ist er nicht unverwechselbar: ein anderer kann die gleiche Arbeit leisten, vielleicht sogar noch besser. Wird ein Mensch jedoch um seinetwillen geliebt, dann wird er unverwechselbar, dann wird er zu einer unersetzbaren Persönlichkeit. So bin ich tatsächlich auf die Annahme durch andere angewiesen, um ich selbst sein zu können.
Einen Menschen bejahen, bedeutet nicht, dass ich seine Mängel leugne, dass ich über sie hinweg gehe oder weg zu diskutieren versuche. Bejahung bedeutet auch nicht, alles, was ein Mensch tut, als gut und schön zu bezeichnen. Ganz im Gegenteil. Leugne ich die Mängel eines Menschen, bejahe ich ihn sicher nicht. Ich habe die Tiefe dieser Person noch nicht erreicht. Nur wenn ich einen Menschen bejahe, kann ich in Wahrheit seinen Mängeln ins Gesicht sehen.
Um es negativ auszudrücken: Annahme beinhaltet, dass ich einem Menschen niemals das Gefühl gebe, er zähle nicht. Nichts von einem Menschen erwarten, ist gleichbedeutend mit: ihn töten, ihn unproduktiv machen. Er kann nichts mehr.
Im folgenden einige der Symptome:
- Großtun: versteckt oder offen verschaffen sie sich die Anerkennung, die ihnen so bitter Not tut
- Starrheit: ein Mangel an Annahme zieht einen Mangel an Sicherheit auf dem Lebensweg nach sich, und solche Menschen haben gewiss nicht den Mut, noch einen Schritt über diesen Weg hinaus zu wagen
- Minderwertigkeitskomplex: Das drückt in einem Wort aus, worüber wir hier reden
- Geltungstrieb: die widerliche Macht, sich aufzuzwingen, das übersteigerte Verlangen nach Aufmerksamkeit, die Neigung, sich bedroht zu fühlen, zu übertreiben, nachteilig über andere zu reden, andere zu verdächtigen
DIE FROHE BOTSCHAFT FÜR MICH:
Ich bin von Gott angenommen, wie Ich bin, so wie ich bin und nicht, wie ich sein sollte. Das Letztere zu vertreten wäre leeres Gerede. Ich weiß nur zu gut, dass ich keinen geraden Weg gehe. Ich bin niemals, wie ich soll. Ich weiß nur zu gut, dass ich keinen geraden Weg gehe. Viele Biegungen, viele falsche Entscheidungen haben mich im Laufe meines Lebensweges zu dem Punkt gebracht, an dem ich jetzt stehe, und doch sagt mir die Schrift: ‚Der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden« (Ex 3,5). Gott kennt meinen Namen: ‚Sieh her, ich habe dich eingezeichnet in meine Hände« (Jes 49,16). Gott kann seine Hand niemals anschauen, ohne darin meinen Namen zu sehen. Und mein Name – das bin ich! Er bürgt dafür, dass ich ich selbst sein kann.
Augustinus sagt: ‚Ein Freund ist jemand, der dich durch und durch kennt und dennoch zu dir steht.« Einen Traum träumen wir alle: eines Tages dem Menschen zu begegnen, dem ich mich wirklich eröffnen kann, der mich und meine Worte versteht, der zuhören kann und sogar das hört, was ungesagt geblieben ist, und mich dann wirklich annimmt.
Gott ist die Erfüllung dieses Traumes. Er liebt mich mit meinen Wunschbildern und meinen Enttäuschungen, mit meinen Leiden und meinen Freuden, meinen Erfolgen und Misserfolgen. Gott selber ist der tiefste Grund meines Seins.
EINE ÜBUNG
Es ist ein großer Unterschied, verstandesmäßig zu wissen, dass ich angenommen bin, und zutiefst davon durchdrungen zu sein. Es genügt nicht, Gottes Liebe nur vom Hörensagen zu kennen. Um mein Leben auf die Liebe Gottes aufzubauen, ist mehr erforderlich. Es braucht viel Zeit, um zu glauben, dass ich von Gott angenommen, wie ich bin. Deshalb führ dir in den kommenden Tagen und Woche immer wieder folgendes vor Augen:
- Unsere Liebe Gott gegenüber ist zweitrangig. Gottes Liebe zu uns hat den Vorrang: ‚Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat.« (1Joh 4,10). Das ist die Grundlage.
- Der eigentliche Glaube ist das Wissen, von Gott angenommen zu sein: ‚Wir haben die Liebe erkannt und an die Liebe geglaubt, die Gott zu uns hat.« (1Joh 4,16). Das ist der Inhalt unseres Glaubens, ‚die Liebe, die Gott zu uns hat«. Das gesamte apostolische Glaubensbekenntnis ist nichts anderes als ein zwölffacher Ausdruck dieses Glaubens an die Liebe Gottes.
- In der Nacht vor seinem Tod betete Jesus zu seinem Vater: ‚Dass du die Meinen ebenso geliebt hast wie mich … damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist …« (Joh 17,23.26). Es klingt unglaublich, dass Gott uns so liebt wie seinen Sohn Jesus Christus. Und doch sagt die Schrift genau das.
GEBET