Wir haben Vorstellungen vom Gelingen eines Ideals, eines Lebensentwurfes oder eines Vorhabens in uns. Und dennoch sind wir immer wieder damit konfrontiert, dass sich Dinge ganz anders entwickeln, als wir es uns vorgestellt und vorgenommen haben. Wir versagen. Wir irren. Wir scheitern; und wir alle müssen Wege finden, mit diesen schmerzhaften Momenten umzugehen.
Solche Erfahrungen schmerzen zuletzt auch deswegen so sehr, weil sie den Schutzmantel unserer Identität ankratzen, unser soziales Image, das, was wir anderen gerne von uns zeigen möchten und das, was wir manchmal auch gerne vor uns selbst wären. Deswegen sind diese Erfahrungen auch gar nicht so schlecht, weil sie uns die engen Grenzen aufzeigen, die wir unserem eigenen Ich gesteckt haben, indem wir ständig irgendwelchen Bildern von uns hinterherhechten.
Das andere Problem besteht darin, dass wir in einer Kultur leben, die wenig fehlertolerant ist, sodass wir unser Versagen manchmal damit verwechseln, ein Versager zu sein. Das ist ein riesiger Unterschied. Jede Überidentifikation mit einer Tat oder einer Handlung, die uns misslingt, führt am Ende dazu, dass wir in Scham und Selbsterniedrigung stecken bleiben. Das sind die morbiden und fatalen Seiten von Fehlern, Scheitern und Versagen.
Zum Versagen gehört manchmal auch eine falsche Vorstellung vom Gelingen, ein falsches Ideal. Je falscher das Ideal umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, das wir an ihm scheitern werden. Ein Ideal wird immer dann falsch, wenn es die Wirklichkeit überspringt. Denn die Wirklichkeit ist keine Knetmasse, die uns zur freien Verfügung steht, sondern die Wirklichkeit bietet manchmal auch enormen Widerstand. Die große Kunst besteht nun darin, zu unterscheiden, auf welche Dinge ich Einfluss nehmen kann und mit welchen ich mich zu arrangieren habe. Damit am Ende nicht ein verbittertes „So ist es. Ich habe wirklich kein Glück“, steht, sondern ein reelles und bejahendes „ So ist es!“. Das sind meine Möglichkeiten und das sind meine Grenzen. Mit diesen Dingen kann ich mich arrangieren und damit kann ich etwas aus meinem Leben machen.
„Irren ist menschlich.“, lautet ein deutsches Sprichwort. In der Regel verwenden wir es, um einen Fehlern oder einen Fauxpas als verzeihlich bzw. nicht ganz so schlimm hinzustellen. Auf wen genau dieses Sprichwort zurückgeht, das verliert sich im Dunkeln. Bereits Augustinus verwendete es. Da markiert das Sprichtwort, wie wir es kennen, allerdings nur die Hälfte der Wahrheit. Bei Augustinus heißt es nämlich: „Irren ist menschlich. Aber im Irrtum zu verharren, das ist teuflisch.“
Damit macht Augustinus für mich eine entscheidende Wahrheit deutlich. Irrtum gehört zum Leben dazu, um am Leben zu wachsen, um aus den Erfahrungen, die wir gemacht haben, Konsequenzen zu ziehen. Irrtum ist also nichts Schlimmes, sondern eine Möglichkeit, zu lernen und zu reifen. Seinen Irrtum allerdings nicht einzusehen, nicht wahrhaben zu wollen, sich einen in die Tasche zu lügen, das ist das diabolische und teuflische. Weil wir uns damit der Möglichkeit berauben, wirklich zu wachsen und voranzukommen.
Schließlich gilt es, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, wie Gott auf den Menschen schaut. Da sind wir vor Gott immer mehr wert, als wir in den Augen anderer und manchmal auch vor uns selbst wert sind.
In der Bibel gibt es für mich mit der Gestalt des Petrus ein beeindruckendes Beispiel für den Umgang Gottes mit Scheitern. Zwischen der Berufung des Petrus zum Felsen der Kirche und seiner Verfluchung zum Satan liegen gerade einmal fünf Verse. Immer wieder macht sich dieser Petrus lang. Als es darauf ankommt, zu Jesus zu stehen und sich zu ihm zu bekennen, da verleugnet er ihn. Als es schließlich auf die Frage hinausläuft, wie man Juden- und Heidenchristen zusammenführen kann, da braucht es erst den Widerstand des Paulus, damit in Petrus eine neue Weite entstehen kann.
An der Geschichte des Petrus kann man immer wieder ablesen, dass Scheitern einem Vorankommen im Leben und einer einmaligen und großartigen Berufung nicht im Wege steht. Gott will eine Geschichte mit uns Menschen schreiben, eine einmalige und einzigartige. Da gehört das Scheitern, das Lernen und Wachsen daran, unweigerlich dazu.