Viele sehnten sich im 20. Jahrhundert nach einer besseren, gerechteren Welt. Doch keiner hat sie so beredet in Worte gefasst und ihre Bedingungen und Möglichkeiten so systematisch erarbeitet wie Ernst Bloch in seinem Hauptwerk ‚Das Prinzip Hoffnung‘. Als Bloch während des Zweiten Weltkriegs im US-amerikanischen Exil an dem Werk arbeitete, sollte der Titel zunächst „Dreams of a better life“ lauten. Er geht von den Wünschen und Tagträumen der Menschen aus. Er sieht in ihnen den Ausdruck vielfältigster Hoffnungen. Die Hoffnung ist das den Menschen in seinen täglichen Geschäften leitende Prinzip. Hoffnung ist der individuelle Antrieb und das Wissen um das Potenzial, ein erfülltes, besseres Leben führen zu können, frei von Demütigung und Entfremdung.
Bloch hatte als Beispiel die Sowjetunion vor Augen, später dann die DDR und andere Staaten, in denen der Sozialismus Einzug gehalten hatte. So wechselte er 1949 aus dem amerikanischen Exil, in das er wegen seiner antifaschistischen Kampfschrift und jüdischer Herkunft gehen musste, in die DDR. Der zeitweise überzeugte Stalinist kritisierte aber bald die neuen Machthaber und entwickelte sich vom Staatsphilosophen zur Persona non grata. ‚Das Prinzip Hoffnung‘ ist der einzigartige Versuch in der Philosophie des 20. Jahrhunderts, die Hoffnung als Prinzip menschlichen Zusammenlebens aufzuzeigen. In der Hoffnung sieht Bloch die Triebkraft für eine Verbesserung der menschlichen Lebensverhältnisse.
Die Nahrungssuche mit dem Ziel, den physischen Hunger zu stillen, ist der Grundtrieb der menschlichen Existenz. Der Hunger ist eine Metapher des Lebenstriebs. Er ist die Kraft des Einzelnen, sich selbst nicht nur am Leben zu halten, sondern auch an seinen Lebensbedingungen zu arbeiten und sie permanent zu verbessern. Diese Kraft findet ihren Ausdruck im Wunschdenken, in Tagräumen und Fantasien, die wiederum in Projekten künstlerischer, philosophischer und technischer Natur zum Ausdruck kommen: In diesen Projekten zeigt sich das „Noch-Nicht-Bewusste“. Damit ist das Potenzial des menschlichen Intellekts gemeint, über die Zukunft nachzudenken, sie zu gestalten und mit planerischer Kraft auf sie einzuwirken – zuerst auf das unmittelbare Umfeld des Einzelnen und später dann im Kollektiv auf die Welt als Ganze.
Eine besondere Rolle kommt dabei den Tagträumen zu: Im Unterschied zu den Nachtträumen, in denen Verdrängtes in verschlüsselter Form wieder auftaucht, widerspiegeln die Tagträume sehr konkret die materiellen und mentalen Lebensbedingungen des Alltags sowie den Wunsch und die Hoffnung, diese durch konkrete Maßnahmen verbessern zu können. Das heißt, dass die sich im Tagtraum einstellenden Wünsche in einer Beziehung zu einem konkreten Ziel stehen.
Aus der Tatsache, dass die Menschen die Fähigkeit besitzen, sich tagträumend künftige Entwicklungen zu wünschen und sie vorwegzunehmen, lässt sich ableiten, dass die menschliche Existenz nichts Fertiges oder Abgeschlossenes hat. Sie strebt vielmehr danach, sich in der Zukunft zu vollenden. Der Mensch lebt also im Zustand des „Noch-Nicht-Seins“ oder des „Noch-Nicht-Bewussten“. Das Sein des Menschen hat einen fragmentarischen Charakter. Das Sein ist unfertig. Bloch zeigt auf, dass am Anfang jeder Utopie die Erfahrung steht, nicht zu haben, was man haben müsste, um zufrieden zu sein. Doch dieses Nichthaben ist nicht einfach ein leeres Nichts, sondern in ihm liegt ein Entwurf zur Gestaltung der Zukunft. Auf die aus der Mangelerfahrung geborene Sehnsucht jedes einzelnen Menschen, aber auch ganzer Gesellschaften gründet Bloch sein »Prinzip Hoffnung«. Bloch war kein besonders optimistischer Mensch. Vielmehr hat er Hoffen als zutiefst menschliche Regung erkannt und darin einen Prozess gesehen, der die gesamte Geschichte vorantreibt. Ob diese Herausforderung angenommen wird, hängt von der Fähigkeit des Einzelnen ab, die Möglichkeiten, welche die jeweiligen historischen Gegebenheiten und sein Lebensumfeld in sich bergen, zu durchdringen und zu verstehen.
Blochs Philosophie ist sehr stark auf die Zukunft ausgerichtet: Der Mensch vereint in sich nicht nur die bereits realisierten Möglichkeiten all dessen, was die Geschichte aus ihm gemacht hat, sondern auch diejenigen, die er in Zukunft noch realisieren kann.
Hoffnung stammt vom altdeutschen Hopen, was so viel bedeutet wie ‚hüpfen‘, ‚vor Erwartung unruhig springen‘. Ja, Hoffnung versetzt einen in Bewegung. Hoffende sehen, was möglich sein könnte, und dann machen sie sich dran, die Hoffnung zu verwirklichen. Bloch formuliert kein Gesetz des Besserwerdens, denn er kalkuliert das Scheitern von vornherein mit ein. Bei ihm heißt das dann:
»Hoffnung ist das Gegenteil von Sicherheit, ist das Gegenteil eines naiven Optimismus. In ihr steckt dauernd die Kategorie der Gefahr.«
Außerdem meint Bloch mit der Sehnsucht der unter Mangel leidenden Menschen keine banalen Alltagswünsche nach dem Zweitauto oder dem Ferienhaus, also nach mehr von etwas, das es schon gibt. Bloch zielt auf Utopien im Wortsinne, also auf Vorstellungen von etwas, das noch keinen Ort hat, das noch nicht in der Welt ist. Sie sind aber bereits in der Welt angelegt, sie schlummern in der Materie, können geweckt werden oder nicht.
Für Bloch ist die Wirklichkeit ein riesiger Schatz noch nicht eingelöster Möglichkeiten.
Gerade hier zeigt christliche Hoffnung ganz besonders, was sie ist. Hoffnung ist immer positiv. Das unterscheidet sie von der Erwartung. Erwarten kann man auch etwas Schlechtes, einfach weil es Anzeichen dafür gibt. Viele erwarten, dass die Zeiten härter werden. Hoffen tun wir es aber nicht. Hoffnung kann verändern, gerade weil sie auch noch im Aussichtslosen Positives im Blick hat. Deshalb ist Hoffnung so unglaublich wichtig. Hoffnung hält für möglich, dass es besser werden kann.
Nun kann man sagen: Wünsche tun das auch. Doch während ich bei Wünschen formuliere, was ich gerne hätte, schaue ich beim christlichen Hoffen nicht nur auf mich. Ich hoffe auf jemanden. Und genau das ist das Entscheidende der christlichen Hoffnung. Deshalb verändert sie. Weil sie mir jemanden zeigt, auf den ich meine Hoffnung setzen kann. Solche Hoffnung verändert die Sichtweise, weil sie nicht nur bis zum Horizont sieht, sondern darüber hinaus geht.
Im Unterschied zu Bloch sagt christliche Hoffnung nicht, wir schaffen das, wenn wir uns bloß ein wenig mehr anstrengen und uns mühen. Christliche Hoffnung sagt: Gott schafft das und deswegen packe ich mit an.
GEBET
Gott, am Ende dieses Tages breite ich vor dir aus, was heute gewesen ist.
Gott, manchmal bin ich unsicher. Wie soll es weitergehen?
Ich bin müde von den vielen Nachrichten.
Gott, ich bitte für all die, die jetzt in Angst leben,
die erkrankt sind und um ihr Leben ringen,
die um ihre Existenz fürchten.
Du bist bei ihnen allen, gehst Schritt für Schritt mit,
findest Wege und Möglichkeiten, du Gott des Lebens.
Sei auch bei mir und allen, die mir lieb sind.
Behüte deine Menschen. Geleite mich und uns zur Ruhe der Nacht.
Schenke Frieden den Herzen und dieser Erde.
Amen.