Nein

Im Be­mü­hen dar­um, stets das Rich­ti­ge zu tun, Kon­flik­te zu ver­mei­den und bloß nie­man­den zu ver­let­zen, über­neh­men wir Pro­ble­me, die Gott nie­mals für uns vor­ge­se­hen hat. Dazu ge­hö­ren zum Bei­spiel die Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit un­se­rer Chefs, die Un­zu­läng­lich­kei­ten un­se­rer Part­ner, die nie en­den wol­len­den Be­zie­hungs­pro­ble­me un­se­rer Freun­de, oder auch die Ein­sam­keit un­se­rer El­tern. Des­we­gen braucht es ein gu­tes Ge­spür da­für, wann es dran ist, ein­fach mal Nein zu sagen.

 

Kei­nem von uns ge­fällt es, ein Nein ge­sagt zu be­kom­men. Wenn uns da­mit die Zu­nei­gung, die Hil­fe und die Un­ter­stüt­zung an­de­rer ver­wei­gert wird. Den­noch ist ein Nein exis­ten­zi­ell not­wen­dig für un­se­re Be­zie­hun­gen, weil es kla­re Gren­zen schafft in Sa­chen Zu­stän­dig­keit und Ver­ant­wor­tung. Ein Nein ist des­we­gen auch im­mer Aus­druck ei­ner ge­sun­den Be­zie­hung; denn Be­zie­hun­gen sind auf Frei­heit an­ge­legt und Frei­heit wie­der­um be­deu­tet, dass ich frei bin, ja oder nein zu sagen.

Des­we­gen soll­ten wir auch im­mer klä­ren, aus wel­chen An­trei­bern und Mo­ti­ven her­aus wir nicht zu ei­nem Nein in der Lage sind. Ei­ner der wich­tigs­ten Grün­de, war­um ich das Nein scheue, hat im­mer et­was mit der Be­zie­hung zum an­de­ren zu tun. Ich habe Furcht da­vor, dass ein Nein dazu führt, dass je­mand zor­nig wird auf mich, weil ich nicht be­reit bin, das zu ge­ben, was von mir ver­langt wird. Ich habe Angst, da­mit so­gar die Be­zie­hung aufs Spiel zu set­zen oder in eine tie­fe Kri­se zu stür­zen, wo­durch am Ende mich viel­leicht je­mand ver­lässt, so dass ich ein­sam und al­lein da­ste­he. An­statt des­we­gen der Ehr­lich­keit hal­ber zu for­mu­lie­ren: Weißt du, ich hab dich lieb. Ich mag dich wirk­lich. Aber nein, das kann, will und wer­de ich nicht tun. An­statt das zu for­mu­lie­ren, gebe ich nach und tue Din­ge, die ich am Ende viel­leicht so­gar bereue.

Auch Schuld­ge­füh­le und Druck kön­nen gro­ße Mo­ti­va­to­ren sein, um die­se bei­den Din­ge um je­den Preis zu ver­mei­den. Um mich bloß nicht kon­fron­tie­ren zu las­sen mit dem, was sie mir viel­leicht si­gna­li­sie­ren wol­len, sage ich lie­ber ja. Ich neh­me lie­ber den Schmerz und den Auf­wand in Kauf, den das Ja mir ab­ver­langt, an­statt mich mit den an­de­ren Ge­fühls­di­men­sio­nen zu be­schäf­ti­gen und die The­men an­zu­pa­cken, die mir da­durch viel­leicht auf­ge­tischt wer­den wollen.

Auch die Über­zeu­gung, an­de­ren et­was zu­rück­zah­len zu müs­sen, kann mich un­glaub­lich an­trei­ben. Men­schen wa­ren für mich da, ha­ben mir ge­hol­fen und mich un­ter­stützt und nun gibt es ei­nen Schuld­schein, der im Raum steht und der ab­ge­ar­bei­tet wer­den will. Ein ein­fa­ches, von Her­zen kom­men­des Dan­ke reicht bei Wei­tem nicht aus für das, was an­de­re für mich ge­tan ha­ben. Son­dern ich bin der Über­zeu­gung, auf Hel­ler und Pfen­nig zu­rück­zah­len zu müs­sen, was an­de­re mir an Gu­tem er­wie­sen ha­ben. Solch eine Be­zie­hung ist na­tür­lich nicht mehr frei und solch eine Über­zeu­gung gibt auch kei­nen Frei­raum, ein auf­rich­ti­ges Nein zu spre­chen. Son­dern lie­ber spre­che ich das un­ehr­li­che Ja, um ir­gend­wann zur Über­zeu­gung zu ge­lan­gen: So und nun habe ich wirk­lich al­les zu­rück­ge­ge­ben. Ob die­ser Punkt al­ler­dings je­mals wirk­lich er­reicht wird, das ist eine ganz an­de­re Frage.

Schließ­lich kann die ei­ge­ne Un­fä­hig­keit, mit Schmerz und Ent­täu­schung um­zu­ge­hen, mich dazu mo­ti­vie­ren, stän­dig nur ja zu sa­gen. Weil ich selbst Ent­täu­schun­gen nicht er­tra­gen kann, mag ich die­ses Ge­fühl auch an­de­ren um kei­nen Preis in der Welt zu­mu­ten. Weil ich an­de­re da­vor be­wah­ren will, dass sie Schmerz über­haupt emp­fin­den müs­sen, sage ich im­mer nur ja und nie ein ehr­li­ches Nein. Aber auch das ist am Ende nur et­was Ego­ma­nes. Weil ich selbst mei­ne Aus­ein­an­der­set­zung scheue, will ich die­se Aus­ein­an­der­set­zung auch nie­mand an­de­rem zumuten.

Je­des nicht auf­rich­tig ge­spro­che­ne Nein führt zu Be­zie­hungs­pro­ble­men, weil ich es auf an­de­re Art und Wei­se kom­pen­sie­ren wer­de. Ich wer­de im Stil­len grol­len, wer­de mich heim­lich zu­rück­zie­hen. Ich wer­de Men­schen Sa­chen nach­tra­gen oder auch Gren­zen er­rich­ten. Da­mit wer­de ich Men­schen ver­let­zen, die ich doch ei­gent­lich lie­be. Ich wer­de Si­tua­tio­nen her­auf­be­schwö­ren und pro­vo­zie­ren, die ein auf­rich­tig und echt ge­spro­che­nes Nein von vorn­her­ein hät­te ver­mei­den können.

Wenn es ein­fach wäre, ein Nein zu spre­chen, hät­te ich es na­tür­lich schon un­zäh­li­ge Male ge­tan. Auch künf­tig wird mir ein Nein im­mer et­was ab­ver­lan­gen und ab­brin­gen. Wenn aber in mei­nen Be­zie­hun­gen Wahr­haf­tig­keit und Ehr­lich­keit ein ho­hes Gut sind, dann soll­te es mir mein Ge­gen­über im­mer wie­der wert sein, ihm ein Nein zu for­mu­lie­ren; denn nur so kann ich am Ende auch si­cher­stel­len, dass der An­de­re weiß, wie er bei mir dran ist und dass un­se­re Be­zie­hung eine Chan­ce hat, zu wach­sen und wei­ter­zu­kom­men. Ein Nein ist dann mit ein Be­zie­hungs­ga­rant und kein Beziehungsrisiko.