Manchmal unterschätzen wir völlig, welchen Preis wir für beeinträchtigte oder zerstörte Beziehungen zu zahlen haben. Wir meinen, wir könnten unbeschadet durch dieses Leben gehen und dabei kommt es immer wieder zu Zerwürfnissen und Konflikten. Solche Beziehungen kosten unglaublich Kraft, entweder weil sie uns ständig durch Herz und durch Kopf geistern, oder weil wir eben genau das zu vermeiden versuchen und sie verdrängen. Dabei könnten wir deutlich befreiter und einfacher leben, wenn wir bereit wären, diese Beziehungen anzugehen.
Die Bibel hält für uns Menschen ein ausgereiftes Konfliktmanagement bereit. Sie unterscheidet zunächst einmal zwischen kleineren Vergehen und berechtigten Verletzungen. Bei den kleineren Vergehen handelt es sich um die alltäglichen Auseinandersetzungen, Ärgernisse und Beleidigungen, mit denen jeder von uns zu kämpfen hat; die aber nicht mehr sind als kleinere Missetaten und dennoch die Kraft und das Potenzial haben, uns ordentlich aus der Bahn zu werfen, uns emotional aufzuwühlen und uns in die Opferrolle zu drängen. Für diese Situation empfiehlt die Bibel, sich zu fragen: Ist dem tatsächlich so? Damit wir wieder ausreichend Abstand und emotionale Objektivität gewinnen und das Konfliktpotenzial auf das Maß zurecht stauchen, das es für diesen Moment und für diesen Augenblick verdient.
Es geht darum, ein ausreichendes Maß an Widerstandsfähigkeit und emotionaler Stabilität zu gewinnen, damit wir uns nicht von jedem Konflikt direkt ins Bockshorn jagen lassen.
Bei der zweiten Kategorie handelt es sich um berechtigte Verletzungen. Diese Situationen sind deutlich komplexer, weil Ihnen hier ein Schaden widerfahren ist, der Zeit braucht, um zu heilen. Intuitiv spüren Sie auch, dass diese Situation nicht einfach so unkommentiert und unbehandelt im Raum stehen bleiben kann. Wenn Sie beispielsweise einem guten Freund etwas anvertraut haben und 24 Stunden später feststellen müssen, dass dieses Vertrauen missbraucht wurde, weil Ihr Anliegen und Ihre Angelegenheit überall breitgetreten worden ist, dann hinterlässt das eine tiefe Spur und einen tiefen Schatten.
Das, was die Bibel Ihnen in dieser Situation anbietet, setzt allerdings zunächst einmal voraus, dass Sie sich diesen Schmerz, diese Trauer und vielleicht sogar auch diese tiefe Wunde zunächst einmal eingestehen. Dass Sie zulassen und spüren, was Ihnen da gerade widerfahren ist. Der Bibel geht es nicht darum, dass Sie in der Verletzung und in den Emotionen versinken, sondern es geht der Bibel darum, dass Sie sich der Tragweite dessen bewusst werden, was Ihnen gerade widerfahren ist.
Wenn das der Fall ist, dann lautet der erste Auftrag an Sie: Geh.
Es heißt im Matthäusevangelium: Wenn ein Bruder oder eine Schwester Schuld auf sich geladen hat, dann geh und sag ihnen, was sie falsch gemacht haben. Sie sollen also nicht darauf warten, dass Ihr Gegenüber den ersten Schritt tut, sondern machen Sie ihn. Gehen Sie auf die Person zu, die Sie zutiefst verletzt und getroffen hat.
Die zweite biblische Aufforderung lautet: Geh allein.
Jesus führt in dieser Stelle weiter aus, dass Sie Ihren Bruder oder Ihre Schwester unter vier Augen zur Rede stellen sollen. Halten Sie also vorher keine Teambesprechung ab. Fangen Sie keine Telefonkette an, um erst einmal allen Menschen mitzuteilen, was Unanständiges Ihr Gegenüber da eigentlich gerade angestellt hat; sondern stellen Sie zunächst einmal den Verursacher Ihres Schmerzes, Ihrer Verletzung unter vier Augen zur Rede.
Jesus verfolgt mit diesen Hinweisen ein bestimmtes Anliegen und das ist der dritte Schritt: Geh, um dich zu versöhnen.
Es kommt auf Ihre Intention an. Sie sollen nicht zu Ihrem Gegenüber gehen, um Ihm den Kopf zu waschen, um doch noch insgeheim Vergeltung und Rache zu üben, damit sich der andere deutlich schlechter fühlt als es Ihnen jetzt gerade geht; sondern Ihr Anliegen sollte es sein, die Beziehung wieder herzustellen, Klarheit und Frieden zu schaffen im Miteinander. In dieser Absicht sollten Sie dem anderen Ihre Verletzungen, Ihren Schmerz und Ihre Wut vermitteln, damit er Sie verstehen und nachvollziehen kann, was er da eigentlich angerichtet hat.
Ein weiterer Hinweis Jesu in diesem Zusammenhang heißt: Geh gleich!
Es gibt diese schöne Bibelstelle, in der Jesus davon erzählt, dass es einen Gottesdienstbesucher gibt, der einem Mitmenschen etwas vorzuwerfen hat. Diesem Menschen rät Jesus: Lass alles stehen und liegen. Verzichte auf den Gottesdienst und geh direkt zu deinem Mitmenschen und kläre zunächst die Angelegenheit. Sie sollen also nicht das Zerwürfnis in sich spielen und gären lassen. Sie sollen der Angelegenheit nicht zu viel Zeit und Raum geben. damit innerlich so viele Widerstände, so viel Abneigung und so viel Hass sich entwickelt, dass irgendwann gar kein Gespräch mehr möglich ist. Klären Sie die Angelegenheit so umgehend, wie möglich.
Manchmal kommen wir in unseren Beziehungen auch an Punkte, an denen sich nichts mehr erklären oder versöhnen lässt. Denn nicht immer ist alles von unserem Zutun abhängig. Manchmal möchte unser Gegenüber auch an seiner Tat, an seinem Groll und an seiner Verletzung festhalten. In diesen Momenten rät die Bibel: Lass los.
In diesen Momenten ist eine heilsame Distanz besser, als wenn sich diese zerstörte Beziehung wie ein Krebsgeschwür in unserem Leben ausbreitet und alles überschattet. Auch dieser Punkt ist eine Form der Klärung. Denn worum auch immer es in unserem Leben geht, Jesus ist es wichtig, dass wir Dinge nicht ungeklärt, unbetrachtet und einfach verdrängt in unserem Leben grassieren und wachsen lassen. Jesus will, dass wir uns diesen Verletzungen stellen und sie zu einer Klärung führen; denn eine geklärte Beziehung ist immer noch besser als eine, die von ständigen Unstimmigkeiten, Streitigkeiten und geheimen Vorwürfen beeinträchtigt wird.