Eine der Grundfragen dieses Lebens lautet: Wer bin ich? Bin ich der, für denmich alle halten? Aber, wofür halte ich mich denn selbst – gestern, heute odermorgen? Ich denke mir, so bin ich, so müsste ich sein, so sollte ich sein. Dann schaue ich den Spiegel und stelle fest, so bin ich aber gar nicht. Wer bin ich?
Am einfachsten ist es vielleicht, mit dem zu beginnen, wer ich definitiv nicht bin. Da gibt es für mich in der Bibel eine ziemlich entlarvende Szene, in der der Teufel Jesus drei hochgradig verlockende Angebote unterbreitet, wie man sich definieren kann.
Drei Angebote, die geradewegs in den Abgrund führen.
Die erste Versuchung des Teufels beginnt damit, dass er Jesus auffordert, aus Steinen Brot zu machen. Zeig was du kannst. Zeig deine Leistung. Zeig, was in dir steckt. Du bist, was du leistest. Das ist das, was in unserer Kultur der Leistungsgesellschaft, der Exzellenzcluster und des Qualitätsmanagements ziemlich nahe liegt und verlockend ist. Ich bin meine Leistung. Ich bin das, was ich an Arbeit kann. Ich bin das, was ich nach außen hin produziere.
Die Frage, die sich allerdings stellt in diesen Momenten: Was bin ich dann noch, wenn ich irgendwann mal nicht mehr leistungsfähig bin? Was bin ich dann noch, wenn mich irgendwann der Burnout packt, die Arbeitslosigkeit einholt? Was bleibt dann noch von meinem Ich übrig?
Die zweite Versuchung des Teufels ist nicht minder verlockend. Er forderte Jesus, sich auf die Spitze des Tempels zu stellen und herunterzuspringen, um dann den Applaus der Massen huldvoll entgegenzunehmen. Ich bin die Anerkennung der anderen. Ich bin der Beifall der Massen. Ich bin das, was andere in mir sehen. Problematisch wird es nur, wenn irgendwann die Filter auf Instagram und Facebook nicht mehr ausreichen, die Schrammen und Macken meines Lebens zu kaschieren und aufzuhübschen. Was bleibt dann noch übrig, wenn ich abends alleine bin, wenn keine Anerkennung, kein Beifall und keine Aufmerksamkeit mehr da sind? Was, wenn ich mich irgendwann für unpopuläre Dinge entschieden habe, die mir Widerstand und keinen Applaus mehr einbringen? Was bleibt dann noch von meinem Ich übrig, wenn ich nur auf das gebaut habe, was andere in mir sehen?
Die dritte Verlockung des Teufels, sein Ich zu stabilisieren, beginnt mit dem Angebot an Jesus: Knie vor mir nieder und ich werde dir alle Reiche dieser Welt übergeben und übertragen. Ich bin meine Macht. Ich bin mein Einfluss auf andere. Ich bin meine Stellung, in der ich mich behaupten und beweisen und gegenüber anderen profilieren kann. Ja, wir haben mit unseren Worten – durchaus ganz viel Macht. In unseren Beziehungen anderen Botschaften zu vermitteln und anderen deutlich zu zeigen, was Sie von ihnen halten. Das Problem ist an dieser Stelle ebenfalls, was wenn ich meinen sozialen Status, meine gesellschaftliche Position verliere? Was, wenn mein Einfluss und meine Macht irgendwann flöten gehen? Was bleibt dann noch von mir übrig?
Alle diese drei Wege laufen am Ende auf eine fatale Logik hinaus. Das, was und wer ich bin, hängt zutiefst von dem ab, was ich aus mir gemacht habe und was ich produziere. Ich bin das, was ich durch meine Leistung, Arbeit, durch das, was ich mache, nach außen hin darstelle. Das Problem ist nur, dass mir das irgendwann auch alles wieder genommen werden kann. Entweder, weil mir die Kraft fehlt oder, weil andere Leute darauf herumtrampeln.
Die christliche Logik geht einmal komplett quer dazu. Als Gott den Menschen machte, sah er, dass es sehr gut war. Da steht eben nicht, Gott freute sich ein Stückchen mehr über den Banker, den Vorstandsvorsitzenden, über Menschen mit Macht, Ansehen und Vermögen. Nein, Gott verlieh jedem Menschen eine Würde und einen Wert, der niemals wieder genommen werden kann, weder von anderen Menschen, noch von mir selbst. Nicht einmal ich bin dazu in der Lage, diese Würde wieder zu zerstören. Egal wie sehr ich es in diesem Leben verbockt habe und warum. Denn diese Würde habe ich nicht gemacht. Diese Würde ist mir geschenkt worden, ohne dass ich etwas dafür getan habe.
Deswegen ist es schön und nett, wenn mich Menschen liebenswert und sympathisch finden. Am Ende des Tages bestimmt das aber nicht über meine Zufriedenheit, weil ich an dieser Würde, die Gott mir verliehen hat, festhalten will und vor allen Dingen, weil ich diese Würde niemals unter Wert verkaufen sollte.