‚Hauptsache gesund‘, das ist ein Satz, den ich gerade bei Geburtstagsbesuchen immer wieder zu hören bekomme und der zumeist viel wohlwollendes Kopfnicken und so manch zustimmende Äußerung am Tisch erntet. Ich frage mich dann immer, was heißt das eigentlich ‚Hauptsache gesund‘? Ist es wirklich so, dass die Hauptsache meines Lebens, der ich mit allem Streben versuche nachzukommen, die Gesundheit ist?
Bin ich jetzt gerade gesund? Ich gehe stramm auf die 40 zu. Der Rücken macht sich hin und wieder bemerkbar und auch der Nacken knackt manchmal und seitdem ich 16 bin, trage ich schon eine Brille auf der Nase. Bin ich damit gesund? Schaut man in die Definition der WHO, dann bedeutet Gesundheit, der Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheiten und Gebrechen.
So weit, so löblich. Gut, dass die WHO darauf hinweist, dass Gesundheit mehr bedeutet, als die Abwesenheit von Krankheit. Aber wenn Gesundheit heißt, es geht um den Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, dann muss ich sagen, dann ist Gesundheit wohl eine Utopie. Denn schaut man sich an, wie wir Menschen leben, dann ist wohl keiner von uns wirklich gesund.
Das Problem ist allerdings, dass auch in unserer Gesellschaft immer noch Menschen aufgrund von Krankheiten stigmatisiert werden. Das fängt an bei Hauterkrankungen wie z.B. einer Neurodermitis oder bis hin zu Infektionen wie HIV. All diese Erkrankungen führen dazu, dass Menschen aus der Mitte der Gesellschaft gedrängt werden, dass ihnen bewusst wird, dass sie zu verzichten haben und vor allen Dingen auf eines: menschliche Nähe und Zuwendung. Das, was wir eigentlich grundlegend zum Leben brauchen. Auch heute noch werden chronisch kranke Menschen doppelt bestraft. Nicht nur durch ihre Krankheit und das Leiden an sich, sondern auch noch durch die sozialen Folgen, die diese Erkrankung mit sich bringt.
Schaue ich auf die christliche Botschaft, dann allerdings stelle ich fest, dass ‚Hauptsache gesund‘ definitiv kein Motto für die Ewigkeit ist. Ja, in der Tat, Jesus hat Menschen geheilt, die in ihrer ganzen Not zu ihm kamen. Aber Tatsache ist auch, er hat sie nicht alle geheilt. Jesu entscheidender Auftrag war nicht, alle Krankheiten in diesem Leben und in dieser Welt zu beseitigen. Auch die Menschen, die Jesus geheilt hat, was soll ich sagen, auch sie sind irgendwann gestorben. Hauptsache gesund ist kein Motto für die Ewigkeit. So leid es mir tut, am Ende wird die Gesundheit nicht siegen, sondern der Tod wird zumindest in diesem Leben das vorerst letzte Wort behalten. Schaut man sich Jesu Leben und Wirken an, dann zeigt sich in der Tat, dass Gesundheit ein hohes, aber leider auch zerbrechliches Gut ist. Es zeigt sich auch, dass es kein Recht auf Gesundheit gibt, sondern dass Gesundheit ein Geschenk ist, dass zur Grundbedingung dieses Lebens allerdings immer Krankheiten und Leiden dazu gehören werden.
Diese Welt wird niemals ein Paradies sein, in dem alles einfach nur noch schön und gut ist. Deswegen war Jesu Absicht nie die Heilung allein von Menschen, sondern Jesus ging es immer zutiefst um das Heil. Das bedeutete für ihn, dass Menschen wieder ja sagen können zu diesem Leben und zu ihrer Existenz. Dieses Ja zum Leben bedeutet aber nicht, dass sich einfach alles in Wohlgefallen und Luft auflöst, was unser Leben belastet, beschwert und bedrückt. Nein dieses Ja zum Leben sollte auch dann gesprochen werden können, wenn die Umstände alles andere als wünschenswert sind, wenn wir von Dingen gezeichnet bleiben, die uns ein Leben lang begleiten werden.
Das bleibt auch unser Auftrag als Christen: Menschen beizustehen, Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen, auch dann, wenn die Krankheit keine Heilung finden kann. Auch dann, wenn die Last des Lebens drückend ist und auch noch lange Zeit drückend bleiben wird. Aber das, was das Leiden so unerträglich macht ist die Einsamkeit im Leiden, das Nicht-Gesehen-Sein, dass Allein-Gelassen-Sein, das macht die Last des Lebens nochmals drückender. Das ist es, was wir Menschen zu jedem Zeitpunkt schuldig bleiben: Sie nicht allein zu lassen, sie nicht einsam in ihrem Elend zugrunde gehen zu lassen, sondern ihnen die Unterstützung anzubieten, die uns möglich ist.
Wenn sich also der Satz ‚Hauptsache gesund‘ als Utopie erweist, dann braucht es zumindest ein gutes Konzept, um mit den Realitäten des Lebens klarzukommen und umgehen zu können. Da glaube ich eben, dass die christliche Botschaft eine ist, die zumindest eine tragfähige und eine alltagstauglich ist. Eine, die nicht schönredet, eine, die nicht wegsieht, sondern eine, die handelt.