Es gibt sie, diese Momente, Phasen und Abschnitte in meinem Leben, die ich amLiebsten überspringen oder mit der Decke über dem Kopf in meinem Bett verschlafenmöchte. Momente, in denen dieses Leben einfach weh tut. Phasen, von denen ich eigentlich gar nicht möchte, dass sie in meinem Leben geschehen und die ich dennoch nicht vermeiden kann. Die Frage lautet, wie soll ich mit diesen Zeiten und Abschnitten umgehen und wie kann ich mir ein Fundament zulegen, dass auch auf Dauer diesen Krisen und Herausforderungen strotzen kann.
Zunächst einmal, leidvolle Momente gehören zu diesem Leben dazu. Das ist kein wirklicher Trost. Ich weiß. Aber in dem Moment, wo das Leben nicht mehr rund läuft, kann allzu schnell in mir die Frage hochkommen: Bin ich schuld? Habe ich es verbockt? Bin ich der Einzige, der dieses Leben irgendwie nicht auf die Kette bekommt, während es doch bei allen anderen zu laufen scheint. Nein, du hast es nicht verbockt. Zu leiden ist etwas ganz Normales und gehört zur Grundbedingung dieser Existenz dazu.
Deswegen lautet die erste Frage an mich immer wieder, wie sehr bin ich damit versöhnt, dass ich Mensch bin? Wie sehr bin ich damit versöhnt, dass der Tod fester Bestandteil dieses Lebens ist und, dass bis zum endgültigen Sterben ich immer wieder daran erinnert werde, dass ich sterblich bin und das bedeutet, dass dieses leben sich meiner Kontrolle entzieht, dass ich nicht alles im Griff haben kann und, dass deswegen zwangsweise immer wieder leidvolle Abschnitte auf mich zukommen werden. Ich weiß, das ist kein Trost. Aber in all den Momenten, in denen es gut läuft, sollte ich mir zumindest eine Grundversöhntheit und eine Grundvertrautheit mit dieser Tatsache zulegen.
Ein Zweites: Krisen offenbaren immer etwas. Es heißt ja so schön, dass sich in Krisenzeiten wahre Freunde zeigen. Aber nicht nur wahre Freunde offenbaren sich, sondern es zeigt sich auch in unserem Leben, was daran wirklich wahrhaft und echt ist. Deswegen legen Krisen manchmal auch schonungslos offen, wo wir unser Herz an falsche Dinge gehängt haben, wo wir falsche Loyalitäten geschworen und unsere Energie für Dinge und Ziele eingesetzt haben, die es gar nicht wert waren. Dass ist schmerzhaft und nicht schön, aber es reinigt ungemein.
Ja, Krisenzeiten vertiefen Beziehungen und Freundschaften. Gemeinsam überstandenes Leid hebt eine Freundschaft auf eine neue Ebene, die davor undenkbar war. Das gilt allerdings nicht nur für Freunde. Das gilt auch für meine Beziehung zu Gott. Auch da mag mir wahrscheinlich so Manches genommen werden von dem, was ich von Gott dachte. Aber, wenn ich mit diesem Gott zusammen krisenhafte Zeiten angehe, wird auch das meine Beziehung zu Gott und seine Beziehung zu mir auf eine ganz andere Ebene heben.
Das Schlimmste, was mir in diesem Leben widerfahren kann, sind nicht Leid und Schmerz. Das Schlimmste, was mir in diesem Leben passieren kann, sind einsames Leiden, einsamer Schmerz. Dass ich in meinem ganzen Elend für mich alleine gefangen bin und niemand da ist, der das mit mir aushält und das mit mir teilt. Daher hat die Bibel eine geniale Botschaft bereit, dass Gott nämlich das Leiden der Menschen sieht und, dass es ihn zutiefst trifft und berührt. Es beginnt im Alten Testament damit, dass Gott das Leid seines unterdrückten und versklavten Volkes sieht. Es geht weiter ins Neue Testament zu Jesus, der sagt, dass alle zu ihm kommen sollen, die unter der Last ihres Lebens leiden. Jesus der von sich sagt, ich bin der Arzt, der die Kranken gesund machen will.
Deswegen ist die Bibel vor allen Dingen eine Botschaft für leidende Menschen, für die, die wissen, wie hart und wie schwer dieses Leben manchmal sein kann. Dieser Gott ist mit dem Leid der Menschen zutiefst vertraut. Meine emotionalen Kapazitäten haben immer Grenzen. Ich habe noch nie Krebs erfahren und ich weiß auch nicht, was es bedeutet, wenn die Chemo als Gift in den Körper fließt – aber dieser Gott, von dem heißt es, dass er der Mann der Schmerzen ist. Gott kennt das Leid und den Schmerz der Menschen nicht nur so ein bisschen bis zu einer gewissen Grenze. Nein, er kennt es ganz und gar und deswegen will dieser Gott für alle Menschen eine Anlaufstelle sein, die in ihrem Leben nicht wissen, wohin mit ihrem Schmerz und ihrem Elend. Damit sie eines eben nicht erfahren müssen, dass sie einsam, alleine und verlassen sind in ihrem Leid.
Ein weiterer Gedanke: Es braucht eine Ewigkeitsperspektive. Jedes Leid, jeder Schmerz und jede Krise wecken uns aus dem Schlaf der Sicherheit im Diesseits. Sie erinnern uns immer wieder daran, dass es doch etwas geben muss, was über dieses Leben hinausgeht, weil uns ansonsten so viel Schmerz und so viel Elend in der Sinnlosigkeit versinken lassen würde. Nur mit dieser Perspektive, dass es etwas gibt, wo einmal alles gut sein wird, wo Fragen beantwortet werden, lassen sich der Schmerz und der Kampf in diesem Leben aushalten. Es macht einem deutlich, wir können das, was in dieser Welt passiert nicht nur aus der Perspektive des Diesseits beurteilen. Das ist keine Vertröstung, sondern es ist eine Motivation, sich morgen für morgen neu zu erheben und sich den Kämpfen zu stellen, weil es eine Ewigkeit gibt, in der einmal alles gut sein wird und gut sein darf.
Ein Letztes: Eine Übung, die uns wirklich helfen kann, ein festes Fundament in diesem Leben aufzubauen. Lerne, zu danken! Es geht darum, dieses Leben und all das, was es bereithält, nicht als pure Selbstverständlichkeit hinzunehmen. Daher gibt es für mich einen Satz aus dem Buch Hiob, der mich daran immer wieder erinnert. Ein Satz, der nichts für schwere Zeiten ist, in denen man gerade leidet. Aber ein Satz, den man sich immer wieder mal klar machen sollte, solange es einem gut geht. Der die Verhältnisse ziemlich fix gerade rückt. Im Buch Hiob heißt es: ‚Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Gelobt sei der Name des Herrn.‘ Ich habe nichts dafür getan, dass sich in diesem Land geboren wurde. Ich habe nichts dafür getan, dass ich diese Talente und Begabungen und diese Ausstattung mitbekommen habe, über die ich verfüge. Ich habe nichts für meine Privilegien getan, die ich genießen darf. Deswegen will ich sie auch nicht als Selbstverständlichkeit Tag für Tag konsumieren, sondern ich will dankbar dafür sein. Ich will sie zugleich als Auftrag verstehen, sie zu nutzen und aus ihnen etwas zu machen, nicht nur für mich, sondern für all die Menschen, mit denen ich zusammenleben darf und die ich erreichen kann. Dankbarkeit ist ein Fundament, das mir deutlich macht, dass Vieles, was ich in diesem Leben genieße, ein Geschenk ist. Nichts, was ich verdient habe, sondern Etwas, das ich nutzen kann und das ich so lange nutzen sollte, wie ich es genießen darf.