Fake News

Noch nie ver­füg­ten die Men­schen über so vie­le In­for­ma­tio­nen wie wir heu­te und noch nie wa­ren die Chan­cen für de­ren Ver­brei­tung so groß. 4,5 Mil­li­ar­den Men­schen nut­zen das In­ter­net und ha­ben da­mit Zu­gang zu ei­ner na­he­zu un­be­grenz­ten Fül­le von In­for­ma­tio­nen. Aber ge­ra­de die­ses Über­maß weckt manch­mal ein Ge­fühl von Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit in uns: Wir be­kom­men so viel In­put, dass wir uns schon nicht mehr rich­tig in­for­miert füh­len. Und ne­ben all den wah­ren Ge­hal­ten tum­meln sich zu­dem un­zäh­li­ge fal­sche. Wie kann es da ge­lin­gen, ei­nen Weg zu fin­den, mich gut aufzustellen?

Der Grün­der der Je­sui­ten: Igna­ti­us von Lo­yo­la ent­wi­ckel­te Un­ter­schei­dungs­kri­te­ri­en, so­ge­nann­te Re­geln. Sie soll­ten dem Men­schen hel­fen, sei­ne in­ne­ren Be­we­gun­gen aus dem Glau­ben zu deu­ten. Die­se Re­geln ka­men teils aus der christ­li­chen Tra­di­ti­on, teils aus sei­ner ei­ge­nen Le­bens- und Ge­bets­er­fah­rung. In­ter­es­san­ter­wei­se ver­such­te Igna­ti­us, die­se Kri­te­ri­en auf sehr ver­schie­de­ne Le­bens­si­tua­tio­nen anzuwenden.
In die­sem Be­mü­hen kön­nen sei­ne Re­geln ge­nutzt wer­den, um mit der heu­ti­gen In­for­ma­ti­ons­flut klug und ge­las­sen umzugehen.

1. Wach­sam bleiben

  • Ich bin nicht „im­mun“ ge­gen das, was ich lese, höre oder sehe. In­for­ma­tio­nen lö­sen Emo­tio­nen in mir aus. Im Mar­ke­ting wie in der Po­li­tik gibt es Ex­per­ten, die In­for­ma­tio­nen be­wusst so ver­pa­cken, dass sie be­stimm­te Ge­füh­le aus­lö­sen. Ich soll­te des­we­gen auf mei­ne Emo­tio­nen ach­ten und mich fra­gen: Wie wir­ken die Nach­rich­ten auf mich?
  • Wenn ich ei­nen Stim­mungs­wech­sel, den z.B. Nach­rich­ten in mir aus­lö­sen, nicht wahr­neh­me, lebe ich „blind“. Ich bin dann an­fäl­lig, ma­ni­pu­liert zu wer­den, im­pul­siv zu agie­ren oder schlech­te Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Um­ge­kehrt gilt: Wenn ich auf mei­ne Ge­füh­le ach­te, kann ich deut­lich aus­ge­wo­ge­ner re­agie­ren und handeln.

2. Mei­ne ei­ge­ne Per­spek­ti­ve ken­nen und selbst­kri­tisch sein

  • Di­gi­ta­le Me­di­en ver­wen­den Al­go­rith­men, die die In­for­ma­tio­nen so sor­tie­ren, dass ich die Nach­rich­ten be­kom­me, die mei­nem In­ter­es­se ent­spre­chen. An­ge­sichts der heu­ti­gen In­for­ma­ti­ons­men­gen ist die­se Sor­tie­rung ei­gent­lich et­was Positives.
  • Al­ler­dings bringt sie das Ri­si­ko mit sich, dass ich aus­schließ­lich die In­for­ma­tio­nen er­hal­te, die zu mei­ner Mei­nung, mei­ner po­li­ti­schen Ten­denz, mei­ner ge­sell­schaft­li­chen Stel­lung pas­sen. Dazu kommt, dass je­der von uns gern die­je­ni­gen Nach­rich­ten für glaub­wür­dig hält, die sei­ne Po­si­ti­on be­stä­ti­gen. Wer glaubt nicht lie­ber, dass der po­li­ti­sche Geg­ner kor­rupt ist, als dass »sein« per­sön­li­cher Fa­vo­rit es ist? Oder ich hal­te die Be­rich­te, die den men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del leug­nen, für al­lein glaub­wür­dig. Schließ­lich stel­len die mei­nen be­que­men Le­bens­stil nicht in Fra­ge stellen.
  • In In­for­ma­ti­ons­bla­sen blei­ben an­de­re Po­si­tio­nen leicht un­sicht­bar. Es emp­fiehlt sich, die ei­ge­ne Per­spek­ti­ve und Hal­tung gut ken­nen­zu­ler­nen (vgl. EB 327): Wo ste­he ich po­li­tisch, ge­sell­schaft­lich usw.? Wel­che Nach­rich­ten glau­be ich gern? Wel­che In­for­ma­tio­nen las­se ich nicht an mich her­an? Ge­ra­de mit den In­for­ma­tio­nen, die mei­ne Po­si­ti­on be­stä­ti­gen, soll­te ich kri­tisch um­ge­hen und sie über­prü­fen. Nicht, dass ich sie nicht glau­ben darf. Aber ich soll­te wis­sen, dass ich ge­ra­de bei ih­nen an­fäl­li­ger bin, un­kri­tisch zu sein.

3. Eine po­si­ti­ve Grund­ein­stel­lung behalten

  • Angst ver­kauft sich bes­ser als Zuversicht.
  • Wir ge­ra­ten so leicht in Är­ger, in­ne­ren Un­frie­den oder so­gar Ver­zweif­lung. Ich soll­te den­noch ver­su­chen, grund­sätz­lich eine po­si­ti­ve Ein­stel­lung zu bewahren.
  • Skan­dal­träch­ti­ge Be­rich­te soll­te ich da­her kri­tisch hin­ter­fra­gen: Was hat die be­tref­fen­de Per­son tat­säch­lich ge­sagt oder ge­macht? Wie hat sie es ge­meint? Es gibt selbst­ver­ständ­lich Äu­ße­run­gen, die voll­kom­men in­ak­zep­ta­bel sind. Aber ich soll­te dar­auf auf­pas­sen, dass ich nicht in die Spi­ra­le des Skan­dals einsteige.
  • Viel­mehr soll­te ich ver­su­chen, wie Igna­ti­us emp­fiehlt, „eine Aus­sa­ge des Nächs­ten zu ret­ten“ (EB 22) - das wah­re, be­rech­tig­te dar­in er­ken­nen und den Dia­log – so weit es geht – weiterzuführen.

4. An­ge­sichts schlech­ter Nach­rich­ten auf Gott hoffen

  • Es gibt tat­säch­lich schlech­te Nach­rich­ten, weil es Ka­ta­stro­phen, Schick­sals­schlä­ge, bös­wil­li­ge und ego­is­ti­sche Ab­sich­ten gibt – so­wohl im pri­va­ten als auch im öf­fent­li­chen Le­ben. Es bringt nichts, das zu leugnen.
  • Aber es gilt, hoff­nungs­voll zu blei­ben. Igna­ti­us er­in­nert in sei­nen Re­geln dar­an, dass Gott uns nicht vor Pro­ble­men be­wahrt. Aber sein Mit­ge­hen und sei­ne Un­ter­stüt­zung in und durch un­se­re Pro­ble­me hin­durch ist uns im­mer si­cher. Er geht mit, auch wenn wir das nicht deut­lich spü­ren (vgl. EB 320).
  • Des­halb gilt es, an­ge­sichts schlech­ter Nach­rich­ten tä­tig zu wer­den. Igna­ti­us sagt: ge­gen die Trost­lo­sig­keit agie­ren (vgl. EB 321 und 325). Schlech­te Nach­rich­ten sol­len uns nicht in Schock­star­re fal­len las­sen, son­dern ich soll­te ent­de­cken, dass so man­che Mel­dung ein per­sön­li­cher Ruf zum En­ga­ge­ment ist.

5. Die Qua­li­tät der In­for­ma­tio­nen bedenken

  • In sei­nen Re­geln woll­te Igna­ti­us, dass der Be­ter im­mer von der „wah­ren Grund­la­ge der Ge­schich­te“ aus­ge­he (EB 2).
  • Wir be­kom­men In­for­ma­tio­nen von sehr un­ter­schied­li­cher Qua­li­tät zu­ge­spielt. Ich soll­te da­her ihre Qua­li­tät im­mer wie­der prü­fen: Wo­her kommt die Nach­richt? Wer­den die Quel­len an­ge­ge­ben? Ist sie wahr? Und es lohnt sich, die Ten­den­zen der ver­schie­de­nen Me­di­en zu be­rück­sich­ti­gen, wo sie welt­an­schau­lich ste­hen und wel­che Ab­sich­ten sie verfolgen.

6. Zur In­for­ma­ti­on und nicht zur Des­in­for­ma­ti­on beitragen

  • Eine letz­te klei­ne, aber wich­ti­ge Re­gel: Ich tra­ge Ver­ant­wor­tung für die In­for­ma­tio­nen, die ich ver­brei­te – mo­ra­li­sche Ver­ant­wor­tung im­mer, manch­mal so­gar straf­recht­li­che. Ich soll­te zur gu­ten In­for­ma­ti­on an­de­rer bei­tra­gen und nicht leicht­sin­nig Mel­dun­gen tei­len, von de­nen ich nicht weiß, ob sie stimmen.
  • Und auch das Pri­vat­le­ben ist zu re­spek­tie­ren: Wah­re In­for­ma­tio­nen, die die In­ti­mi­tät an­de­rer ver­let­zen, soll­te ich nicht teilen.

Und am Ende möch­te ich dem Ja­ko­bus­brief des Neu­en Tes­ta­men­tes das letz­te Wort über­las­sen mit ei­ner sehr wei­sen Ein­sicht und Mahnung:

„So ist es mit un­se­rer Zun­ge. So klein sie auch ist, so groß ist ihre Wir­kung! Sie kann eine gan­ze Welt vol­ler Un­ge­rech­tig­keit und Bos­heit sein. Sie ver­gif­tet uns und un­ser Le­ben, sie steckt un­se­re gan­ze Um­ge­bung in Brand. Mit un­se­rer Zun­ge lo­ben wir Gott, und mit der­sel­ben Zun­ge ver­flu­chen wir un­se­re Mit­men­schen, die doch nach Got­tes Eben­bild ge­schaf­fen sind. Se­gen und Fluch kom­men aus ein und dem­sel­ben Mund. Aber ge­nau das, mei­ne lie­ben Brü­der und Schwes­tern, darf nicht sein!“ (Ja­ko­bus 3,5f.)