Ent­schei­dun­gen

Eine miss­li­che Tat­sa­che des Le­bens ist: Al­ter­na­ti­ven schlie­ßen sich aus. Das ist ein ge­wich­ti­ger Grund, war­um Ent­schei­dun­gen häu­fig so schwer­fal­len. Ent­schei­dun­gen be­deu­ten im­mer Ver­zicht: Je­des Ja er­for­dert ein Nein. Jede Ent­schei­dung be­deu­tet das Ende für alle an­de­ren Op­tio­nen. Das er­for­dert ein ho­hes Maß an Kom­pe­tenz, Mut, Ver­ant­wort­lich­keit… und ge­sun­den Prag­ma­tis­mus. Das kann durch­aus schmerz­haft sein. Le­ben funk­tio­niert aber ge­nau so und nur so.

Aus­wäh­len, Ent­schei­den und Han­deln im Be­wusst­sein, dass ich gleich­zei­tig an­de­res zu­rück­las­se. Von den vie­len ge­gen­wär­ti­gen Mög­lich­kei­ten ma­che ich auf die­se Wei­se eine zu mei­ner Wirk­lich­keit. So über­neh­me ich Ver­ant­wor­tung für mein Leben.

Die­se Fä­hig­keit ist not­wen­dig, um der Viel­falt des Le­bens zu be­geg­nen. Wer sich nicht fest­zu­le­gen ver­mag, ver­passt das Le­ben und wird da­mit un­zu­frie­den und un­glück­lich. Nicht ge­trof­fe­ne Ent­schei­dun­gen kos­ten Kraft und bin­den En­er­gie. Denn The­men und Be­zie­hun­gen blei­ben of­fen und unerledigt.

Ein simp­les Bei­spiel: Wir su­chen für ei­nen Wunsch-Ar­ti­kel nach dem bes­ten Preis im In­ter­net. Man ver­liert sich beim Su­chen und fin­det da­durch kein Ende; viel Zeit geht ver­lo­ren und nicht sel­ten macht sich Är­ger breit und ver­dirbt ei­nem die Freu­de auf die Neu­an­schaf­fung. Oder: Das Über­an­ge­bot an Fil­men bei Strea­ming­an­bie­tern führt dazu, dass wir uns nicht ent­schei­den kön­nen, wel­cher Film den Abend ver­schö­nern soll und nun wirk­lich un­se­ren Be­dürf­nis­sen ent­spricht. So bleibt manch ei­ner ge­frus­tet auf dem Sofa zu­rück. Auch bei den un­zäh­li­gen Da­ting Por­ta­len ver­hin­dert die­ser Me­cha­nis­mus manch per­sön­li­ches Glück.

Sich al­les of­fen zu las­sen, um nichts zu ver­pas­sen oder auf das ver­meint­li­che Bes­te zu war­ten, führt ge­nau zum Ge­gen­teil: Man ver­passt den Au­gen­blick, das Gute im ge­gen­wär­ti­gen Mo­ment. De­fi­ni­tiv ver­liert man Zeit und da­mit das Bes­te, was uns zur Ver­fü­gung steht.

Da­bei sind wir Men­schen dazu in der Lage, un­ser Le­ben zu ge­stal­ten auch ohne op­ti­ma­le Rah­men­be­din­gun­gen. Das zu­min­dest zeigt die Re­si­li­enz­for­schung sehr deut­lich. Von grö­ße­rer Be­deu­tung ist näm­lich die Ent­schei­dung, das Un­ver­än­der­ba­re zu ak­zep­tie­ren und die Ent­schei­dung das an­zu­pa­cken und zu ge­stal­ten, was jetzt in mei­ner Macht steht. Ohne die­se Ent­schei­dungs­be­reit­schaft gibt es kein Ent­wick­lungs­po­ten­zi­al, kei­ne loh­nen­de Zu­kunft. Ich blei­be hin­ter mei­nen Mög­lich­kei­ten zu­rück und mein Le­ben wird zur Kümmerexistenz.

Es geht dar­um, die Her­aus­for­de­run­gen des Au­gen­blicks mit uns und un­se­rem Po­ten­zi­al in Ein­klang zu brin­gen. Denn es geht letzt­lich ja dar­um, dass wir das ent­wi­ckeln, was uns ganz per­sön­lich ausmacht.

Das ist umso nö­ti­ger, als das Le­ben eine Hal­tung nicht kennt, die wir Men­schen häu­fig ge­nug an den Tag le­gen: »Das steht mir aber zu«. Die­sen An­spruch ist dem Le­ben fremd. Das Le­ben ant­wor­tet dar­auf nur: »So ist es jetzt – was machst du draus?« Wer sich da­mit bei­zei­ten an­freun­det, hat Vorteile.

Es kommt dar­auf an, wie wir uns ge­gen­über dem Un­ab­än­der­li­chen, das wir nicht be­ein­flus­sen kön­nen, ver­hal­ten. Wel­che Ein­stel­lung ent­wi­ckeln wir und wel­che per­sön­li­chen Ant­wor­ten fin­den wir auf das Un­ver­meid­li­che. Dazu zählt tat­kräf­ti­ges Han­deln ge­nau­so wie eine in­ne­re Hal­tung von Ak­zep­tanz und Zustimmung.

Nur wir Men­schen be­sit­zen die Fä­hig­keit, uns ge­gen­über den Her­aus­for­de­run­gen des Le­bens so oder so ver­hal­ten. Und ge­nau da­durch wer­den wir zu Ge­stal­tern un­se­rer Exis­tenz und kön­nen dem Le­ben un­se­ren Stem­pel aufdrücken.

Die Fra­gen lau­ten also: Was ist jetzt von mir ge­fragt? Wie sieht mei­ne per­sön­li­che Ant­wort dar­auf aus? Die Ant­wor­ten dar­auf schaf­fen den Sinn un­se­res Lebens.