»Denn es sol­len nicht die Kin­der den El­tern Schät­ze sam­meln, son­dern die El­tern den Kin­dern« (2 Kor 12,14)

»Denn es sol­len nicht die Kin­der den El­tern Schät­ze sam­meln, son­dern die El­tern den Kin­dern« (2 Kor 12,14)

  • Man­che Leu­te wur­den ge­bo­ren, um für ihre El­tern zu sor­gen. Sie ha­ben die­se Pflicht nicht frei­wil­lig über­nom­men; sie ha­ben sie ge­erbt. Auch die­se Men­schen nennt man mit­ab­hän­gig (ko­de­pen­dent). Sie ha­ben früh im Le­ben ge­lernt, dass sie für ihre El­tern ver­ant­wort­lich sind, die in kin­di­schen, un­ver­ant­wort­li­chen Be­zie­hungs­mus­tern ge­fan­gen wa­ren. Wenn sie dann er­wach­sen wer­den, ha­ben sie es schwer, zwi­schen sich selbst und ih­ren un­ver­ant­wort­li­chen El­tern Gren­zen zu set­zen. Je­des Mal, wenn sie ver­su­chen, ein ei­gen­stän­di­ges Le­ben zu füh­ren, kom­men sie sich ego­is­tisch vor. Die Bi­bel lehrt, dass er­wach­se­ne Kin­der für ihre alt­ge­wor­de­nen El­tern sor­gen sol­len. »Ehre die Wit­wen, die ech­te Wit­wen sind. Wenn aber eine Wit­we Kin­der oder En­kel hat, so sol­len die­se ler­nen, zu­erst im ei­ge­nen Hau­se fromm zu le­ben und sich den El­tern dank­bar zu er­wei­sen; denn das ist wohl­ge­fäl­lig vor Gott« (1 Tim 5,3−4). Es ist gut, un­se­ren El­tern ge­gen­über dank­bar zu sein, und ih­nen für das, was sie für uns ge­tan ha­ben, et­was zu­rück­zu­ge­ben. In die­sem Zu­sam­men­hang tau­chen aber oft zwei Pro­ble­me auf. Ers­tens kann es sein, dass die El­tern nicht wirk­lich in Not sind. Es kann sein, dass sie un­ver­ant­wort­lich oder for­dernd sind oder sich wie Mär­ty­rer be­neh­men. 
  • Um sich zu ver­än­dern, müs­sen Sie die­se »Fa­mi­li­en­sün­den« er­ken­nen und sich von ih­nen ab­wen­den. Die­se Hal­tun­gen sind – pau­schal ge­spro­chen – wie eine tief­sit­zen­de Sün­de, von der es um­zu­keh­ren gilt, um sich zu ver­än­dern. Der ers­te Schritt in der Auf­stel­lung von Gren­zen ist es, Ih­nen alte Fa­mi­li­en­mus­ter, die sich noch bis in die Ge­gen­wart er­hal­ten ha­ben, be­wusst zu machen.
  • Die Bi­bel sagt, dass sich Kin­der un­ter der Au­to­ri­tät der El­tern be­fin­den, bis sie er­wach­sen wer­den (Gal 4,1−7). Die El­tern sind wirk­lich für sie ver­ant­wort­lich. Aber sie sind schließ­lich er­wach­sen – egal, ob mehr oder we­ni­ger –, kön­nen zur Re­chen­schaft ge­zo­gen wer­den, sie strei­fen die Auf­sicht von Vor­mün­dern und Ver­wal­tern ab und sind für sich selbst ver­ant­wort­lich. Chris­ten be­ge­ben sich in eine neue el­ter­li­che Be­zie­hung mit Gott als Va­ter. Gott lässt uns nicht ver­waist, son­dern nimmt uns in sei­ne Fa­mi­lie auf. Zahl­rei­che Stel­len im Neu­en Tes­ta­ment leh­ren, dass wir un­se­re Loya­li­tät zu un­se­rer Ur­sprungs­fa­mi­lie auf­ge­ben müs­sen und uns von Gott ad­op­tie­ren las­sen sol­len (Mt 23,9). Sehr oft ge­hor­chen wir nicht Got­tes Wort, weil wir geist­lich noch nicht »zu Hau­se aus­ge­zo­gen sind«. Wir ha­ben das Ge­fühl, dass wir noch un­se­ren El­tern ge­fal­len und die Din­ge auf ihre tra­di­tio­nel­le Wei­se tun sol­len, an­statt un­se­rem himm­li­schen Va­ter min­des­tens eben­so gut zu ge­hor­chen (Mt 15,1−6). Wenn wir ein Teil von Got­tes Fa­mi­lie wer­den, wird der Ge­hor­sam ihm ge­gen­über manch­mal Kon­flik­te mit un­se­ren Fa­mi­li­en ver­ur­sa­chen und auch zu Tren­nun­gen füh­ren (Mt 10,35−37). Je­sus sagt, dass un­se­re geist­li­chen Bin­dun­gen die engs­ten und wich­tigs­ten sind (Mt 12,46−50). Un­se­re wah­re Fa­mi­lie ist Got­tes Familie.
  • Gott hat die Fa­mi­lie als eine Art In­ku­ba­tor ge­plant, in dem wir die Rei­fe, Fä­hig­kei­ten und Werk­zeu­ge ent­wi­ckeln, die wir brau­chen. Wenn der In­ku­ba­tor sei­ne Ar­beit ge­tan hat, dann muss der jun­ge Er­wach­se­ne dazu er­mu­tigt wer­den, das Nest zu ver­las­sen und mit der Au­ßen­welt in Ver­bin­dung zu tre­ten (1. Mose 2,24). Er muss jetzt eine ei­ge­ne geist­li­che und emo­tio­na­le Fa­mi­lie gründen.
  • Wenn Sie kei­ne an­de­ren »bes­ten Freun­de« ha­ben als Ihre Fa­mi­lie, soll­ten Sie ei­nen schar­fen Blick auf die­se Be­zie­hun­gen wer­fen. Sie ha­ben mög­li­cher­wei­se Angst vor Tren­nung und der Ent­wick­lung ei­ner ei­ge­nen Per­sön­lich­keit, da­vor, ein ei­gen­stän­di­ger Er­wach­se­ner zu wer­den. Aber wenn Sie Ihr Le­ben füh­ren wol­len, brau­chen Sie auch die Fä­hig­keit, es zu führen.
  • »Wer­den Sie schul­dig«. Sie wer­den Ih­rem el­ter­li­chen Ge­wis­sen un­ge­hor­sam sein müs­sen, um ge­sund zu wer­den. Sie wer­den Din­ge tun müs­sen, die rich­tig sind, Ih­nen aber Schuld­ge­füh­le ver­ur­sa­chen. Set­zen Sie Grenzen.

 

DAS FRÜH­WARN­SYS­TEM

  • Emo­tio­nen oder Ge­füh­le ha­ben eine Funk­ti­on. Sie sa­gen uns et­was. Sie sind ein Si­gnal. Un­se­re »ne­ga­ti­ven« Emo­tio­nen kön­nen uns vie­les über uns selbst sa­gen. Angst sagt uns, der Ge­fahr aus­zu­wei­chen, vor­sich­tig zu sein. Trau­rig­keit sagt uns, dass wir et­was ver­lo­ren ha­ben – eine Be­zie­hung, eine Ge­le­gen­heit, eine Idee. Zorn ist auch ein Si­gnal. Wie Angst, so si­gna­li­siert auch Zorn Ge­fahr. Aber an­statt uns zum Rück­zug zu drän­gen, ist Zorn das Si­gnal da­für, dass wir vor­wärts­ge­hen soll­ten, um der Be­dro­hung ins Auge zu se­hen. Jesu Zorn über die Ver­un­rei­ni­gung des Tempels
  • Zorn sagt uns, dass un­se­re Gren­zen ver­letzt wor­den sind. Ähn­lich ei­nem Ra­dar­ab­wehr­sys­tem, dient Zorn als »Früh­warn­sys­tem«, um uns zu war­nen, dass wir Ge­fahr lau­fen, ver­letzt oder kon­trol­liert zu werden.
  • Men­schen mit rei­fen Gren­zen sind die am we­nigs­ten zor­ni­gen Men­schen auf der Welt. Ob­wohl die­je­ni­gen, die ge­ra­de mit der Gren­zen-Ar­beit be­gin­nen, ih­ren Zorn wach­sen se­hen, geht dies mit dem Wachs­tum und der Ent­wick­lung der Gren­zen auch wie­der vor­bei. War­um? Er­in­nern Sie sich an die Funk­ti­on des Zorns als »Früh­warn­sys­tem«. Wir emp­fin­den ihn, wenn wir ver­letzt wer­den. Wenn Sie die Ver­let­zung Ih­rer Gren­zen von vorn­her­ein ver­hin­dern kön­nen, brau­chen Sie auch den Zorn nicht mehr. Sie ha­ben mehr Kon­trol­le über Ihr Le­ben und Ihre Werte.

 

GE­BET

Der HERR ist mein Hir­te, nichts wird mir fehlen.
Er wei­det mich auf saf­ti­gen Wie­sen und führt mich zu fri­schen Quellen.
Er gibt mir neue Kraft. Er lei­tet mich auf si­che­ren Wegen
und macht sei­nem Na­men da­mit alle Ehre.
Auch wenn es durch dunk­le Tä­ler geht, fürch­te ich kein Unglück,
denn du, HERR, bist bei mir. Dein Hir­ten­stab gibt mir Schutz und Trost.
Du lädst mich ein
und deckst mir den Tisch vor den Au­gen mei­ner Feinde.
Du be­grüßt mich wie ein Haus­herr sei­nen Gast
und füllst mei­nen Be­cher bis zum Rand.
Dei­ne Güte und Lie­be be­glei­ten mich Tag für Tag;
in dei­nem Haus darf ich blei­ben mein Le­ben lang.

 

(Psalm 23)