Angst

Wenn wir nicht ge­ra­de von ei­nem wil­den Tier ver­folgt wer­den, oder uns eine Axt schwin­gen­der Psy­cho­path zum Kaf­fee ein­ge­la­den hat, dann ist die Angst nichts an­de­res als ein Miss­ma­nage­ment un­se­res Geis­tes. Den­noch ist sie bei Vie­len ein fes­ter Be­glei­ter im All­tag. Von der lohnt sich die Fra­ge, wie wir mit die­ser Angst ei­gent­lich sinn­voll um­ge­hen kön­nen, da­mit wir die Angst ha­ben und nicht die Angst uns ir­gend­wann im Griff hat.

 

Ur­sprüng­lich wur­de uns die Angst als kurz­fris­ti­ger Ef­fekt ge­ge­ben, um Schmer­zen zu ver­mei­den, Ge­fah­ren ab­zu­wen­den und un­ser Le­ben zu si­chern. Wir al­ler­dings ha­ben dar­aus ein lang­fris­ti­ges Werk­zeug ge­macht, das vor al­len Din­gen dazu dient, un­ser Ego zu schüt­zen. Wir spre­chen nur un­gern über un­se­re Ängs­te, weil da­durch näm­lich of­fen­bar wer­den wür­de, dass es nicht um wirk­li­che Ge­fah­ren geht, son­dern meist dar­um, dass wir mehr Angst vor uns selbst haben.

In Wahr­heit ha­ben wir meist Angst vor ei­nem ge­sell­schaft­li­chen Dra­ma. Wenn ich zum Bei­spiel sage, ich habe Angst, vor ei­nem Pu­bli­kum zu spre­chen, so mei­ne ich da­mit ja nicht ernst­haft, dass ich be­fürch­te, dass mich das Pu­bli­kum von der Büh­ne zerrt, mich bei le­ben­di­gem Lei­be zer­fleischt. Son­dern ich habe Angst da­vor, was pas­siert, wenn die gan­ze Num­mer in die Hose geht. Was pas­siert, wenn ich mich bla­mie­re, wenn ich mei­nen An­sprü­chen und den Er­war­tun­gen des Pu­bli­kums nicht ge­nü­ge? Wer bin ich dann noch? Kann ich mich dann noch ir­gend­wo bli­cken las­sen, oder muss ich mich dann bla­miert in die Ecke verkriechen?

Des­we­gen sage ich ja auch nicht, ‚die Angst über­flu­tet mich‘, son­dern ich sage, ‚ich habe Angst‘. Das Ego steht an ers­ter Stel­le und das muss ge­schützt wer­den, nichts an­de­res. Das Ego hat Angst sei­ne Kom­fort­zo­ne zu ver­lie­ren und hin­aus ge­zerrt zu wer­den ans Licht der Öffentlichkeit.

Um un­se­re Angst zu bän­di­gen, müs­sen wir uns zu­nächst ein­mal klar ma­chen, wel­che fa­ta­len Aus­wir­kun­gen sie auf un­ser Le­ben hat. Wenn Angst uns be­stimmt, ver­lie­ren wir un­se­re emo­tio­na­le Mit­te und wir ver­lie­ren un­se­re geis­ti­ge Klar­heit. Wird Angst zu ei­ner Dau­er­ein­rich­tung in un­se­rem Le­ben, dann ver­lie­ren wir un­se­re Am­bi­tio­nen. Wir trau­en uns nichts Gro­ßes mehr zu und wir wer­den zag­haft und ge­stresst und tun al­les, aber nicht mehr fro­hen Mu­tes in die­ses Le­ben hin­aus­zu­mar­schie­ren. Wenn die Angst nicht ein stän­di­ger Be­glei­ter blei­ben soll, wenn die Angst uns nicht stän­dig über­flu­ten soll, um un­ser gan­zes Le­ben in den Griff zu neh­men, son­dern wir wie­der Herr der Angst sind, dann lohnt es sich, ein paar Schrit­te zu be­den­ken, die eine Hil­fe sein kön­nen, sich der Angst zu stellen.

Ein ers­ter ent­schei­den­der Schritt ist, klar zu be­kom­men, wel­che Ur­sa­che die Angst ei­gent­lich hat. Wo­her rührt sie? Was nährt sie? Wo­durch wird sie be­dient? Meis­tens wird sie da­durch ge­trig­gert, dass Mus­ter sich wie­der­ho­len, die wir über Jah­re hin­weg ge­lernt haben.

Pin­ge­li­ge und pe­ni­ble El­tern und Vor­ge­setz­te, gän­geln­de Leh­rer, mal­trä­tie­ren­de Gleich­alt­ri­ge, die uns ge­trig­gert und uns bei­gebracht ha­ben, dass wir nichts sind, dass wir nichts kön­nen und dass wir kei­nen Wert be­sit­zen. Die­se Mus­ter, die sich ver­fes­tigt ha­ben, Ge­dan­ken, die uns ein­ge­trich­tert und ein­ge­re­det wur­den und die sich lei­der im Lau­fe des Le­bens im­mer wie­der be­dient und be­stä­tigt fin­den, das sind zu­meist die wah­ren Ur­sa­chen un­se­rer Angst.

Als zwei­tes de­cke die Lü­gen auf, die die Angst ver­sucht zu prä­sen­tie­ren und ein­zu­re­den. Meist geht es da­bei um grund­le­gen­de Täu­schun­gen, mit der die Angst ar­bei­tet. Es geht um Ka­ta­stro­phen­fan­ta­sien, die sich in uns auf­bau­en und die so real wer­den, dass sie un­ser Le­ben hem­men und uns emo­tio­nal be­stim­men. Wenn wir uns zum Bei­spiel vor ei­nem Ge­spräch mit je­man­dem fürch­ten, dann läuft in uns plötz­lich ein Mus­ter ab, dass die­ses Ge­spräch im­mer mehr zu ei­ner wahn­sin­ni­gen Kraft­an­stren­gung wer­den lässt. Wir ma­len uns aus, wie ka­ta­stro­phal der Chef auf un­se­ren Kon­flikt und un­ser An­lie­gen re­agie­ren wird. Wir trau­en uns gar nicht, nur un­se­re Freun­de auf ein Pro­blem oder ei­nen Kon­flikt oder Mi­nen­feld hin­zu­wei­sen, weil wir be­fürch­ten, dass mit dem, was wir da ver­su­chen, zu the­ma­ti­sie­ren, al­les grund­le­gend den Bach runtergeht.

In­dem wir uns dann der Angst über­las­sen, hat sie ge­won­nen. Von die­sen Ka­ta­stro­phen­fan­ta­sien er­füllt sich meis­tens gar nichts, weil das al­les nur Kopf­ki­no ist. Aber die Angst mit ih­rer Täu­schung hemmt uns am Han­deln und sorgt da­für, dass uns in­ner­lich ein im­mer grö­ße­rer Bro­cken in den Weg ge­legt wird.

Der nächs­te kon­se­quen­te Schritt ist dann, sich der Angst zu stel­len. Ex­per­ten ha­ben her­aus­ge­fun­den, dass die Angst ein Ge­fühl ist, wie vie­le an­de­re auch und je mehr Zeit ver­geht, umso mehr flacht die Angst wie­der ab. Angst ist eine Emo­ti­on, die sich nicht un­be­grenzt aus­bau­en kann und so wie das Glück ver­geht, ver­geht auch ir­gend­wann die Angst. Wenn wir ihr aus­wei­chen, fängt sie im­mer wie­der von vorn an, sich aufzubauen.

Schö­ne bi­bli­sche Pas­sa­gen, die uns zum Kampf er­mu­ti­gen, sind zum Bei­spiel die, wo Pau­lus von der Waf­fen­rüs­tung Got­tes spricht, die er uns zur Ver­fü­gung stellt. Den Schild des Glau­bens, den Helm des Hei­les. Al­les, was die­ser Rüs­tung fehlt, ist ein Rü­cken­pan­zer. Rück­zug ist eben kei­ne Op­ti­on. Son­dern es gilt, sich die­sem Kampf zu stel­len. Da der Kampf vor al­len Din­gen in den Ge­dan­ken aus­ge­foch­ten wird, hat Pau­lus da­mals die Emp­feh­lung ge­ge­ben, alle Ge­dan­ken der Macht Got­tes zu un­ter­stel­len. Sich die­sen Ge­dan­ken nicht al­lein zu wid­men, son­dern gute Freun­de und eben auch Gott mit ins Boot zu ho­len und zu sa­gen, das ist das, was mich quält. Das ist das, was ich an­ge­hen muss. Wenn ich mer­ke, dass mei­ne Kraft dazu nicht reicht, dann hole ich mir Hil­fe ins Boot, aber weg­lau­fen ist de­fi­ni­tiv kei­ne Option.