Ab­hän­gig­kei­ten

Sich im Le­ben Wün­sche er­fül­len zu kön­nen, ist et­was Schö­nes und durch­aus Er­stre­bens­wer­tes. Wenn al­ler­dings Lust­be­frie­di­gung zum ein­zi­gen Maß­stab all un­se­ren Tuns und Han­delns wird, dann kann das fa­ta­le Kon­se­quen­zen mit sich brin­gen. Des­we­gen lohnt es sich, eine Fra­ge im­mer wie­der in den Fo­kus zu rü­cken: Wor­an hän­ge ich mein Herz?

Wahr­schein­lich wür­den die We­nigs­ten von sich sa­gen, dass sie un­frei sind. Je wei­ter wir al­ler­dings im Le­ben vor­an­kom­men, je mehr Ent­schei­dun­gen wir tref­fen und uns im Le­ben zu­le­gen, umso mehr en­gen wir un­se­re Mög­lich­kei­ten ein. Wer sich ein Haus zu­legt, muss nun mal da­für Sor­ge tra­gen, dass es in Schuss bleibt und auch die kom­men­den Jahr­zehn­te über­steht. Und wer eine Kar­rie­re plant, nimmt in Kauf, dass die Zeit für Fa­mi­lie und Freun­de be­grenzt ist. Da­hin­ter ste­hen Ent­schei­dun­gen, die wir tref­fen, und die deut­lich ma­chen, wem wir die­nen und wor­an wir un­ser Herz hängen.

Die Bi­bel mahnt da­her vol­ler Wohl­wol­len: Mehr als al­les hüte dein Herz. Sie zieht des­halb kla­re Gren­zen, wo wir uns auf alle Fäl­le nicht ver­zet­teln soll­ten und be­legt das mit dem Wort Götzendienst.

Für uns mu­tet die For­mu­lie­rung al­ter­tüm­lich an. Sie weist aber auf et­was hin, das un­ser Le­ben stark be­ein­flusst. Das Wort Göt­ze ist eine Ver­klei­ne­rungs­form von Gott, was „klei­ner Gott“, „Gott­chen“ be­deu­tet. Ein Göt­ze ist bi­blisch ge­se­hen et­was, das an sich gut ist. Wenn es al­ler­dings zum Ab­so­lu­ten ge­macht wird, so­dass wir ihm al­les un­ter­ord­nen, dann ver­liert es da­mit sei­ne Gut­heit. Ge­nuss ist gut, über­mä­ßi­ger al­ler­dings mehr als schäd­lich. Wut ist nö­tig, über­mä­ßi­ge al­ler­dings zer­stö­re­risch. Die­sen Göt­zen­dienst, die­se fal­schen Loya­li­tä­ten, die hat v.a. Je­sus im­mer wie­der stark an­ge­mahnt und beim Men­schen kritisiert.

Zum Göt­zen­dienst kön­nen bei­spiels­wei­se Tra­di­tio­nen und Ge­wohn­hei­ten wer­den. Wenn wir uns gar nicht mehr vor­stel­len kön­nen, dass un­ser Le­ben an­de­re Bah­nen nimmt. Wenn wir der­art auf die Bar­ri­ka­den ge­hen, so­bald un­se­re Ge­wohn­hei­ten hin­ter­fragt wer­den. Wenn wir Mühe und An­stren­gung scheu­en, un­ser Le­ben auf an­de­re Bei­ne zu stel­len, frei nach dem Mot­to, das ha­ben wir doch noch nie so ge­macht, wo kä­men wir denn da hin. Das kann ja gar nicht klap­pen. Dann ist der Macht der Tra­di­tio­nen und Ge­wohn­hei­ten al­les un­ter­ge­ord­net, so­dass sie das Le­ben nicht mehr be­wah­ren, son­dern ersticken.

Ein wei­te­rer Göt­zen­dienst war für Je­sus, dass Men­schen al­les Mög­li­che tun, um Leu­ten zu ge­fal­len, um sich den Ap­plaus und das An­se­hen bei an­de­ren zu si­chern und zu ga­ran­tie­ren. Wenn wir un­se­re Wer­te, un­se­re Prin­zi­pi­en und un­se­re Über­zeu­gun­gen all dem un­ter­ord­nen, dass uns ein­zig und al­lein der Zu­spruch und das Wohl­wol­len der Mas­sen ge­si­chert bleibt. Wenn mei­ne Be­zie­hung zu Men­schen dar­auf fußt, dann geht es mehr um Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis­se als um et­was an­de­res. Sym­pto­me da­für kön­nen sein: Mei­ne Fa­mi­lie er­war­tet von mir, was sol­len nur die Nach­barn, was XY denken?

Und das Drit­te, was für Je­sus eine ent­schei­den­de Rol­le ge­spielt hat, wa­ren die Fi­nan­zen. Geld an sich ist nichts Schlech­tes. Es ist neu­tral. Es kommt dar­auf an, wo­für wir es ein­set­zen. Wel­che Rol­le Geld in un­se­rem Le­ben spielt, ent­lar­ven dau­er-sor­gen­vol­le Fra­gen, wie: Wo­von sollst du denn le­ben? Wie willst du denn über die Run­den kom­men? Am Ende kann der Mensch mit ei­nem Euro ge­nau­so gei­zig sein wie mit ei­ner Million.

Das Grund­pro­blem hin­ter all die­sen Göt­zen­diens­ten ist und bleibt das­sel­be: Ein Göt­ze for­dert Op­fer. Ein Göt­ze be­frie­digt nicht. Ein Göt­ze hält nicht das, was er ver­spricht und kann den Men­schen am Ende nicht satt ma­chen. Es gibt von al­lem im­mer noch ein Mehr zu er­obern. Wenn ich an­ge­kom­men bin, wo ich hin­woll­te, dann lockt schon die nächs­te Stu­fe. Denn es gibt im­mer noch et­was Schö­ne­res, Grö­ße­res, Viel­ver­spre­chen­de­res, was es zu er­lan­gen gilt. Es wird kein ge­nug ge­ben und mei­ne Göt­zen wer­den mich wei­ter an­trei­ben und statt zu ge­ben, neh­men sie mir am Ende Kraft und so­gar Le­bens­freu­de. Das nie en­den­de Ver­lan­gen nach mehr, wird mir schlimms­ten­falls so­gar den Le­bens­sinn nehmen.

Jetzt kommt der Kon­flikt. Gott spricht auch. Aber ir­gend­wie scheint Gott nicht mehr ganz durch­zu­kom­men mit sei­ner Bot­schaft, weil un­se­re Gott­chen, dann doch zu ech­ten Göt­tern auf­ge­stie­gen sind und un­se­re Her­zen be­setzt ha­ben. Got­tes An­lie­gen ist es al­ler­dings, den Men­schen im­mer wie­der in die Frei­heit zu füh­ren, dass ich mei­ne Ta­len­te und Mög­lich­kei­ten für et­was Gu­tes und Sinn­vol­les ein­set­ze. Für Je­sus war das Ent­schei­den­de, im­mer wie­der klar zu krie­gen: Wo­für in­ves­tie­re ich mich? Wor­an hän­ge ich mein Herz?

Des­we­gen ist der christ­li­che Maß­stab für all mein En­ga­ge­ment: Lie­be und Hin­ga­be an eine Sa­che, die es wirk­lich wert ist. Die­se Hin­ga­be kos­tet nicht nur, son­dern gibt ne­ben al­ler in­ves­tier­ten Kraft vor al­lem Sinn zu­rück. So bleibt es im­mer wie­der eine Auf­ga­be, mich zu hin­ter­fra­gen: Wem die­ne ich und ist es die­se Sa­che am Ende wirk­lich wert?